Im Frühjahr gehen Sonne und Schnee einen immer lockenden Pakt ein. So telefonierten sich C.,K. und R. gestern Abend zusammen: Etwas südseitiges sei heute angesagt. Ahja, ohne Lifte.
Die Wahl fiel auf die Karlesspitze im Kühtai, eine Minirunde in Wonne. Um 7 die Nachrichten im DerStandard.at gecheckt- neue Notgesetze würden im Laufe des Tages verkündet, nachdem jene vom Freitag noch Taufrisch waren.
Treffpunkt um 7:30 in Axams, in der Inntalfurche. Üblicherweise fahren wir mit einem Auto weiter. Diesmal nicht. Mit grinsen, jeder weiss- jeder fährt eigens rauf in den 2020m hohen Ort, über den Pass und dann wieder etwas hinab zum Stausee. Los geht es zunächst über die Staumauer. Der See ist entleert.
Durch weite Lärchen und Zirbenwälder geht es ins Tal "eini". Die Sonne erreicht die Talsohle. -8 Grad zeigte das Autothermometer zuvor an. In der Nacht schneite es einige Zentimeter Minipulver, welche in der Morgensonne glitzern. Frische.
Dann rechts steiler bergauf.
Am Gipfel ist man gleich oben. Im Flow der kongenialen Gegebenheiten. Kein Mensch am Gipfel. Das übliche "Bergheil" diesmal Coronacompatibel mit Skischuhen. Lachen doch. Dennoch die Frage, ob dies heuer die letzte Skitour gewesen sein mag? Unbegreifbar, doch das könnte sein.
Blauester Himmel wie ihn nicht mal Google Photos schafft. Gesprächsthema freilich Corona. Die Intuition ahnt: Da kommt etwas großes auf uns zu. Tirol hat >200 Erkrankte, überschlagsmäßig schnell hochgerechnet auf Italien wären dies etwa 20.000. Italien hat jetzt 24.000. Somit wird es in Tirol bald wie in Italien zugehen, oder schlimmer. Denn die 200 kamen wie aus dem nichts. Und die meisten erkrankten Gäste sind hier nicht dabei, die sind schon weg!
Eine bedrückende Stimmung, irgendwie unfassbar trotz Gipfelhoch, Sonne und Frühjahresschnee. "Fahren wir mal ab so langsam?". Irgendwann geht es dann doch hinab, ein Zeitgefühl haben wir nicht. Wie lange waren wir da oben in der brennenden Sonne?
C. arbeitet als Arzt im Krankenhaus in Zams, R. ist ebensolcher in eigener Praxis.
Hinab geht es wunderbar. Bisschen Bruch und Batz, das ist alles mit Freude kindseinfach. Immer wieder lange Pausen, Blicke in die gewaltige Landschaft. Und das Glück, dass man das alles wie Mühelos machen kann, dass das alles so nah ist, dass der Tag sich stets in bester Stimmung ausbreitet. Und dennoch, etwas stimmt nicht.
Unsere Abfahrt dauert gefühlt ewig. Was ja schön ist. Keine wusste anfangs, wie viele Höhenmeter der Aufstieg hatte. 800? Es waren nur 675m.
Mittags sind wir bei den Autos. Ein Herr vermeldet, es sei jetzt alles zu und schluss, und untermalt dies mit Handgesten.
R. muß zur Family zurück, C. und K. erfasst der Hunger. Irgendwas wird ja noch offen haben, es herrscht ja normaler Skibetrieb. So fahren wir hinauf in die Hotelagglomeration. Sonderbare Farben und Styroporfassaden. Kühe in Symbolen und Plastiken. Es findet sich gleich ein Restaurant. Eine offene Terasse muss es sein.
Der Blick ins Skigebiet. An der Talstation der Bahnen kleine Schlangen. Weil Gondeln offenbar nur mit 2 Personen besetzt werden. Und die KSB gar nur mit einer Person pro Sessel. Hätten Sie nur den alten ESL stehen gelassen, das hätte gut genügt und ich wäre öfters dort.
Wenig betrieb für einen perfekten Sonntag. Viel jedoch bezogen auf den Kontext.
Zum trinken bestelle ich nichts, vielmehr hole ich mein kleines Flacon mit Brennspiritus zur Handdesinfektion. Ist das Paranoia?
Wie dem auch sei, die Kellner wirken gestresst, die Terasse ist gut gefüllt. Gestresst nicht wegen der Gäste. Die Stimmung ist vorgegeben.
Ich bestelle ein Teller Hirtenmakkaroni für 15 Euronen. Der Hunger will das. Mit Pasta hat das wenig zu tun, aber da ich es der Gaumen irgendwie anders einordnet, schmeckt es dann doch.
Die unausweichliche Tiroler Sonnenterassen-musik. Immerhin wirkt die wohl auch gründlich Desinfizierend stelle ich mir vor.
C. kann seine Familie seit letzter Woche nicht mehr sehen, denn die wohnt in Bruneck. Keine Chance über den Brenner zu kommen, was er auch nicht dürfte wg. seiner Position und anderen Beschränkungen.
C. ahnt was ihm die kommenden Wochen blüht.
Unsere beiden Handies melden Edge, "Seite kann nicht geöffnet werden". Wir wollen es eh nicht lesen - wir ahnen es. Es steht in der Luft geschrieben.
Genug Sonne, genug gegessen, genug. Es geht Heimwärts. Wozu ich ein Stück Brennerautobahn benötige. Es ist leer wie wohl zu den Fahrverboten während der Erdölkrise 1973.
Zuhause lese ich die News.
Schon oben. Zeitgerechter Gipfelgruss