'Casino-Royal-Tour' – 2007
Tag 4: Breuil-Cervinia, 31.01.2007 –
'Sternenstaub'
Für k2k, dessen Geburtstag lange vorbei ist und der ohnehin viel zu lang auf diese Fortsetzung warten musste.
Auch diese Nacht war viel zu kurz. Zu lange haben mich gestern Abend noch die vielen alten ISR von Michi fasziniert mit ihren technisch anspruchsvoll verfassten Texten, den vielen bemerkenswerten und aufschlussreichen Bildern und nicht zuletzt den alten Werbeanzeigen, einst Lobgesang auf modernste Technik und heute faszinierend antiquiert. Der Atem kondensiert als wir in der Dunkelheit durch die engen, verschneiten Gassen Andermatts marschieren. In einer kleinen Bäckerei finden wir Kaffee und simples Frühstück. Die Zeit drängt etwas, um 8.00h geht der Zug nach Brig, Fortsetzung meiner Reise durch ein Stück Schweizer Bahngeschichte auf einer zweiten Etappe, die mich letztlich an das dritte und letzte Ziel dieser Tour bringen wird: den grandiosen Schicircus von Zermatt-Cervinia.
Der Weg zum Bahnhof gestaltet sich dieses Mal noch etwas mühsamer als auf dem Hinweg. Mein ohnehin nicht gerade leichtes und handliches Gepäck ist dank Michi nun um ein zweites Paar Schi – ein paar Tourenschi der Schweizer Armee – samt Stöcken und Zubehör ergänzt und ohne Michis Hilfe kaum zu transportieren. So gestaltet sich der Fußmarsch an den Bahnhof hinab zum anspruchsvollen Training.
In der ersten Morgendämmerung rattert der Zug gen Westen. Das stillte Hospental ist in seiner Abgeschiedenheit winters ein faszinierender Ort: kein Durchgangsverkehr, keine Busse, keine Großparkplätze – dafür Langlaufloipen, eine kleines Schigebiet, einige verstreute Häuser. Dass hier im Sommer aufgrund Furka- und Gotthardpass gleich zwei der wichtigsten touristischen Straßenrouten der Schweiz verlaufen, mag man im Winter kaum erahnen. Mit gefällt die Stille, sie lässt die Berge abgeschiedener, unantastbarer wirken. Für mich muss das Gebirge immer etwas unnahbares behalten, sonst funktioniert das Phantasiebild des Abenteuers nicht. Das touristisch perfekt erschlossene und abgesicherte Gebirge verkommt mir zu schnell zum Freizeitpark. Als verwöhntes Konsumkid bin ich dann immer sofort gelangweilt. Der verwöhnte Großstädter braucht eben etwas, dass er nicht sofort erfassen und kontrollieren kann, etwas zumindest scheinbar unbekanntes vermischt mit am besten einem Hauch von Risiko und Abenteuer. Sonst könnte er ja gleich in seiner Schihalle mit Kletterwand bleiben.
Winterliches Hospenthal gen Furka im Morgengrauen.
Zu diesem Abenteuer gehört auch immer etwas Phantasie. Man muss eben manchmal in den Dingen mehr sehen, als auf den ersten Blick offensichtlich ist. Ein Stück weit ist das vielleicht auch eine gewisse Kunst. Teils gehört auch ein entsprechendes Vorwissen dazu, aber eben auch die Bereitschaft, Ausschau zu halten. So macht es einen gewissen Unterschied, ob ich alleine durch italienische Seilbahnruinen spaziere oder beispielsweise mit Kris. Ihm fallen oft Details auf, die ich übersehe, er kennt ihre Bedeutung und ihren Platz in der italienischen Bau- und Technikkultur. So werden vor dem geistigen Auge aus den alten verwitterten Mauern wieder lebendige Plätze, man versteht Sinn und Zweck und Konzepte hinter den kaum mehr erkennbaren Strukturen, findet Kleinode oder Besonderheiten, die ansonsten im Verborgenen bleiben. Ähnlich ist auch mit Michi, gerade auch was Schweizer Millitärgeschichte angeht. Da wird aus einer unscheinbarer Seitenstraße plötzlich der „geheime“ Zugang zu einer „verborgenen“ Festung, aus ein paar Löchern im Berg enstehen Phantasiebilder verlassener, im dunkeln verborgener und halb voll Wasser gelaufener Bunker. Dies ist eben jene Kombination aus Vorwissen und Phantasie, die es braucht, um an den vielen interessanten „Sehenswürdigkeiten“ am Wegesrand nicht achtlos vorbei zu ziehen, sondern Geschichten und Mythen, Fakten und Historie in ihnen zu sehen.
Ein solches Monument ist zum Beispiel der Furka-Basistunnel, den wir nach wenigen Minuten durchqueren. Früher war dies für mich in erster Linie ein recht langer, enger Tunnel, dessen Passage – insbesondere mit der Autoverladung – ein gewisses zeitliches Hindernis darstellte, ist man doch über den Pass zumindest im Sommer kaum langsamer. Seit ich die vielen Geschichten von den Schwierigkeiten des Baus und den alten, verworfenen Planungen des sog. „Schmalspurkreuzes“ gelesen habe, beginnt mich dieser finstere, nicht enden wollen Stollen zu faszinieren. Roh behauen, voll von Seitenstollen, die in das unbekannte Nichts führen, lässt er viel Raum für Phantasien. Mitten in geologisch höchst schwieriges Gestein gebaut, muss der Tunnel ständig vermessen und überwacht werden, der rohbehauene Zustand und das extrem geringe Lichtraumprofil lassen an Lorenbahnen denken, wie ich sie aus unseren Bergwerken im Harz kenne. Sobald man in den Stollen eingefahren ist, sinkt die Temperatur schlagartig: man beginnt zu frösteln, die Scheiben beschlagen – sofort bekommt der Tunnel etwas geisterhaftes, fast bedrohliches. Ich erinnere mich an Wolfgang Hohlbeins „Druidentor“ - kein Klassiker der Prosa, dennoch ein Buch, das mich zumindest in der frühen Jugend zu faszinieren wusste. Ich wische die Scheibe frei, um etwas besser sehen zu können. Irgendwo im tiefsten Herzen des Berges, das weiß ich, muss der alte vergessene Stollen ins Tessin, das Bedrettofenster, abzweigen. Ich bin geradezu besessen davon, die Stelle finden zu wollen. Michi belächelt mich etwas. „Der Tunnel ist voll von Seitenstollen, hunderte. Kein Mensch weiß, wofür die alle sind! Alte Bauschächte, Vermessungsstollen und wer weiß, was die Armee noch alles hinein gebaut hat. Das kannst Du vergessen mit dem Bedrettofenster.“ Ja, vielleicht, will ich aber nicht! Also starre ich weiter ins Dunkel hinaus, durch die vor Beschlag beinahe undurchsichtige Scheibe. In der Tat ist der Tunnel voll von abzweigenden Seitenstollen, die meisten allerdings machen nicht den Eindruck, als kämen sie dem baulichen Zustand nach als Kandidaten für den Geisterstollen in Frage. Zugegeben: das Bedrettofenster wurde nie vollends ausgebaut. Es ist ein Stollen im Rohbau, der während des schier nicht enden wollenden Baus des „Furka-Lochs“ als Dritter Zugang in das Herz des Berges und damit zu einer dritten Baustelle diente. Gleichzeitig wurde durch diesen Stollen Abraum in das südlich gelegene, extrem abgeschiedene Bedrettotal gebracht und dort entsorgt. Insofern muss der Tunnel zumindest einen etwas besseren Ausbauzustand aufweisen als die meisten der extrem engen abzweigenden Stollen, die gerade Platz für eine Person bieten. Außerdem hoffe ich ihn an eventuellen Vorsorgemaßnahmen zu erkennen. Derartiges kenne ich aus den Hannoveraner U-Bahnschächten, die mir bekanntlich sehr vertraut sind. Geplante, nie verwirklichte Linien erkennt man meist daran, dass in den Tunnels ein geändertes Lichtraumprofil für eine Abzweigung oder eine veränderte Abstützung oder etwas ähnliches auftritt, die Vorsorge für den späteren Ausbau im laufenden Betrieb ist. Ich hoffe hier etwas ähnliches zu finden, v.a. suche ich nach einem Seitenstollen, der nicht orthogonal, sondern tangential abzweigt.
Mein größtes Problem ist, dass ich keinen Anhaltspunkt für unsere Position auf der Strecke habe außer der Zeit und dem Fahrplan. Die Pläne des Tunnels, die ich mittlerweile geologischen Zeitschriften entnommen habe, lagen mir seinerzeit noch nicht vor. So kann ich mich nur darauf verlassen, dass ich weiß, dass der Stollen ziemlich direkt unter dem über 3000m hohen Piz Rotondo verläuft und insofern kurz vor der zweiten langen Kurve nach etwa zwei Dritteln der Strecke abzweigen müsste.
Meine Zeitrechnung verliert allerdings gänzlich ihren Bezug zur Trasse als ein Ruck durch den Zug fährt und die Lokomotive und die angehängten Wagen beginnen zu verlangsamen. Ich schaue auf die Uhr. Wir können noch lange nicht Oberwald erreicht haben, vielmehr müssten wir jetzt im tiefsten Herzen des Gebirgsstocks angelangt sein. Meine Gedanken gleiten unwillkürlich wieder zu den Geschichten vom Gridonetunnel im „Druidentor“, ein etwas mulmiges Gefühl überkommt mich während der Zug sich mehr und mehr der Schrittgeschwindigkeit nähert. Was ist hier los? Eine Störung? Ist etwas mit der Geologie des Tunnels nicht in Ordnung? Ich erinnere mich an die vielen Geschichten von den Unfällen beim Tunnelbau, den vielen Einstürzen und Wassereinbrüchen... Eigentlich neige ich nicht gerade zu irrationalen Erwägungen, aber der Tunnel verleitet gerade dazu! Ein finsteres, enges, endloses Loch, eiskalt und feucht, der ganze Zug ist nass. Und dann ist da noch dieses Gas, von dem Michi erzählt hat. Ich habe im Nachhinein keine Berichte dazu gefunden, Fakt ist aber, dass es in dem Tunnel definitiv sehr seltsam riecht und dass ich zumindest ein deutliches Schwindelgefühl empfinde. Auch meine ich die grünliche Färbung in den beschlagenen Scheiben zu sehen, von der Michi berichtet hatte. Nicht, dass ich Nachhinein eine Idee hätte, was das hätte sein können oder ob ich sie mir nur eingebildet habe (Mich hat sie allerdings auch gesehen). In diesem Moment jedenfalls ist mir diese gottverlassene Ort jedenfalls durchaus etwas unheimlich!
Plötzlich ist der Tunnel von gleißendem Licht erfüllt! Nur eine Sekunde wundere ich mich, was dies nun wieder bedeuten mag. Dann sehe ich die Arbeiter an der Strecke stehen, der Zug beschleunigt wieder. Wartungsarbeiten! Wie schön doch die Phantasie mit einem durchgehen kann, wenn man nur in der richtigen Umgebung dazu ist. Hellwach bin ich, als ein Rumpeln, das sich vom vorderen Zugteil aus nähert, eine Weichendurchfahrt ankündigt. Und tatsächlich: plötzlich zweigt ein Seitenstollen ganz ebenmäßig in einer weiten Linkskurve nach Süden ab! Das ist es! Genau so eine Art Stollen hatte ich erwartet, auch die Position stimmt ziemlich genau, soweit ich das noch abschätzen kann. Als dann wenige hundert Meter weiter ein weiterer Seitenstollen von Süden herankommt und sich dessen Gleis mit dem unseren vereint, bin ich mir sicher: hier ruht der Traum vom ehemaligen Schmalspurkreuz, vergessen im tiefsten Herzen der Schweizer Berge, dreitausend Meter unter dem Gipfelmassiv des Piz Rotondo. Alles passt perfekt: die Lage, die sanft nach Süden ausscherenden Gleise, die Anschlüsse in beide Richtungen ermöglichen. Und dennoch: ich liege falsch! Später auf den Plänen erkenne ich, dass es sich hier um die westliche von zwei Ausweichstellen handelt. Die östliche, im ersten Drittel des Tunnels, hatte ich schon gesehen. Diese besteht allerdings nur aus einer Verbreiterung der Trasse und einem kurzen zweigleisigen Stück. Die westliche liegt in einem eigenen Stollen, ob dies aus geologischen Gründen notwendig war – selbst mit dem engen Lichtaumprofil des eingleisigen Stollens war ein Bauen ohne ständiges Einstürzen an einigen Stellen kaum möglich – oder ob es weitere Gründe für diese Form der Abzweigung gibt, vermag ich nicht zu sagen. Der Bedrettostollen jedenfalls wäre etwa einen Kilometer östlich, direkt vor der zweiten Kurve am südlichsten Punkt des Tunnels abgezweigt. Zwischen all den vielen Seitenstollen habe ich ihn nicht erkannt – Michi sollte recht behalten! Und dennoch kann ich auch sagen: mit etwas Hintergrundwissen und ein bisschen Phantasie wird auch die belanglose dreißigminütige Fahrt durch einen dunklen Tunnel zu einem – zumindest kleinen – Abenteuer!
Das Obergoms als erste Etappe im Wallis erwartet uns nicht gerade mit berauschenden Schneemengen. In der Westschweiz erscheint die Schneelage noch dürftiger zu sein als in den restlichen Alpen. Dennoch machen wir uns dank unseres Ziels hier nicht allzu viele Sorgen: wo man bis zu dreitausend achthundert Meter Seehöhe hinauf gelangt, wird man wohl auch dieser Tage anständig schifahren können. Unser eigentlicher Traum, noch einmal am Stockhorn zu fahren, ist allerdings dahin. Dies ist mangels Schnee im unteren Gletscherbereich dieses Jahr bis kurz vor dem Saisonende geschlossen.
Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich trotz der traumhaften und geradezu klassischen Schweizer Bahnstrecke im westlichsten Abschnitt des Glacierexpresses der Möglichkeit, noch ein Stündchen zu schlafen, kaum widerstehen kann (ich handele mir damit allerdings ein paar vorwurfsvolle Blicke von Michi ein). Erst im letzten Stück bin ich wieder aufmerksam und sehe den berühmten Kehrtunnel und den interessanten Umsteigebahnhof an der Bettmeralp, wo man aus der Bahn direkt in die Penelbahn zu den autofreien Wintersportorten oberhalb gelangt. Wieder ein durchaus typisch schweizerisches Konzept – das ich gelungen finde. Auch hier werde ich über die Geschichte und Eigenheiten der Bahnen dank Michi wieder bestens informiert, bis wir dann einige Minuten später schließlich Brig erreichen.
Nach kurzem Aufenthalt sitzen wir dann schließlich in der kleinen Zahnradbahn, die uns nach Zermatt bringen wird. An sich auch eine nette Anlage, allerdings braucht sie für die vierundzwanzig Kilometer dann doch verhältnismäßig lang, eineinhalb Stunden nämlich. Wenn man am selben Tag noch schifahren mag, so wie wir heute und gleichermaßen auch übermorgen am Tag der Abreise, ist das schon etwas ärgerlich. Auf der anderen Seite, das muss man wirklich positiv erwähnen, kommt man hier tatsächlich überall völlig ohne eigenen Wagen aus.
Reichlich schockiert bin ich von Täsch, das ich von meinen Besuchen 2000 und 2001 noch ohne den neuen Bahnhof und das riesige Parkhaus, das das halbe Tal einzunehmen scheint, kenne. Diese monotone, architektonisch mit viel Beton, aber wenig Stil oder Charme realisierte Umsteigeschleuse, vermag mich in keiner Weise zu begeistern. Kaum besser sieht der Bahnhof in Zermatt aus, hier allerdings wusste ich bereits, was mich erwartet.
Vorort schließen wir zunächst die Tourenschi und einiges nicht benötigtes Gepäck ein, und überlegen dann, wie wir den heutigen Tag begehen wollen. Zunächst einmal müssen wir unsere Ausrüstung irgendwie auf den Theodulpass bekommen, wo wir im dreitausenddreihundert Meter hoch gelegenen Rifugio an der schweizerisch-italienischen Grenze übernachten wollen. Da die Gornergratbahn (natürlich!) gerade so abfährt, dass man sie mit dem Halbtagespass genau nicht mehr benutzen kann und wir auf den nächsten Zug eine Stunde warten müssten, entschließen wir uns, mit dem Elektrobus zur Talstation der Kleinmatterhornbahnen zu fahren. Während die erste Sektion mit ihrer EUB in Anbetracht unserer doch recht großen Rucksäcke etwas beengt ist – k2k wird sich an entsprechende Abenteuer in der EUB von Alagna erinnern – überwinden wir die zweite Etappe elegant und entspannt mit der großen Pendelbahn zum Trockenen Steg. Michis Begeisterung für die schnelle und effiziente Anlage kann ich nur teilen. Ich persönlich bedauere ja Zermatts Abkehr von den Pendelbahnen, die in meinen Augen dem Schigebiet immer eine gewisse Klasse gaben, doch dazu mehr im Bericht über Zermatt vom morgigen Tag.
Die letzte Etappe schließlich absolvieren wir in den insgesamt über vier Kilometern Schleppliften, die uns über die flache, etwas unwirkliche Gletscherhochfläche des Theodulgletscher bis zum fast dreieinhalbtausend Meter hohen Plateau Rosa bringen. Mit den schweren Rucksäcken und der ganzen Ausrüstung ist dieser Schleppliftmarathon auch ein gewisses Abenteuer, ich für meinen Teil mag es aber, an der frischen Luft zu sein und das Gedränge an der Klein-Matterhorn-Pendelbahn zu umgehen. In der gleißenden Eiswüste bleibt daneben auch Zeit, für einige Bilder. Mittlerweile bin ich auch dankbar, dass ich heute früh in Andermatt keine Schibekleidung angezogen habe. So fahre ich zwar – Premiere – heute erstmals nicht nur in Jeans, sondern auch im Jackett Schi (starli, Gerrit und Kris haben jetzt ein „Spinner!“ frei!
), anderenfalls hätte ich mich bei den milden Temperaturen in der höllisch brennenden Gletschersonne jetzt mittags wohl aber auch zu Tode geschwitzt.
Sonnengeflutete Eiswüste und einsamer Schlepplift am Theodulgletscher.
Eine kurze Abfahrt später – mit all dem Gepäck und zusätzlichen Gewicht kein ganz einfaches Unterfangen – stehen wir am Theodulpass. Um den kleinen Gegenaufstieg zu umgehen, fahren wir zur KSB Bontadini auf Cervinianer Seite hinab, von deren Bergstation wir problemlos zum Rifugio gelangen. Ein kurzes „Hallo“ bei unseren Gastwirten, Verstauen des Gepäcks in einem Seitenraum, dann hat die Piste uns wieder.
Vom Plateau Rosa aus wollen wir zunächst in Richtung Val Tournenche abfahren. Erstens mag ich diesen abgelegen, mitunter fast gespenstisch verlassenen Teil des Schigebietes mit seinen interessant trassierten, oft völlig leeren Pisten besonders gern. Zweitens sind wir beide gespannt auf die neuen Anlagen, die dort dieses Jahr gebaut wurden, um den Anschluss an das Schigebiet von Cervinia zu verbessern.
Die Piste von der Gipfelstation über den breiten Gletscher zum Colle Cime Bianche Superiore ist wie stets ein Genuss. Eine klassische, durchaus zügige Gletscherautobahn in bestem Zustand mit faszinierendem Panorama in das einst von Gletschern geprägten Rondell, das heute den Schicircus von Cervinia beherbergt. Am Pass, der den Übergang ins Val d'Ayas markiert, halten wir uns links und fahren die südliche Abfahrt hinab zum Colle Cime Bianche Inferiore – dem Übergang in das Schigebiet von Val Tournenche. Vis-à-vis im Val d'Ayas grüßt das Schigbiet am Col Bettaforca und MonterosaSKI – da wird die eine oder andere Erinnerung wach.
Der Col stellt die erste Enttäuschung dar. Dieser geringe Zwischenanstieg von nur etwa dreißig Höhenmeter wurde früher von beiden Seiten durch einen Tal-Berg-Tal-Schlepplift bedient, der auf der Passhöhe einen Ausstieg besaß. Von dem alten Pass ist nicht viel über. Auf der Cervinianer Seite wurde der SL durch eine fixe 4SB ersetzt (!), die die wenigen Meter zur Passhöhe nun nicht nur reichlich überdimensioniert, sondern vor allem endlos langsam überwindet. Die ehemalige Piste ist einer großen voll-remodellierten Abfahrt gewichen, die dem Landschaftsbild nicht gerade besser tut. Der schmale Pass selbst fasst heute aber nicht nur die Bergstation der überflüssigen 4erSB, sondern auch die Station der neuen KSB, die von Val Tournenche heraufkommt – ein großer Klotz aus Beton und Wellblech, dem man wenn überhaupt zu Gute halten kann, dass er ungewöhnlich ist. Die Passhöhe ist jedenfalls gut ruiniert. Die rückwärtige KSB von Val Tournenche kommend selbst hingegen stellt infrastrukturell an und für sich eine sinnvolle Neuerung dar. Allerdings ist die Trasse – typisch für viele italienische Neubauten der letzten Jahre und insbesondere Cervinia – denkbar ungeschickt gewählt. Dazu muss man wissen, dass die Val Tournencher Seite des Passes früher auf zwei Achsen erschlossen wurde. Zum einem bestand die Liftkette aus den Anfangstagen, die durch einen recht flachen Schlepplift im unteren Teil und einen langen, mittelsteilen und rechtwinklig zum ersten Lift verlaufenden zweiten Schlepplift im oberen Teil gebildet wurde. Hieran schloss sich dann hinsichtlich des Passes der Tal-Berg-Tal-Schlepplift an. Später folgte dann eine weitere Liftkette aus zwei Sesselliften, die in einem Seitental südlich hinaufführten und oberhalb auf einem exponierten Nebengipfel endeten. Von dort konnte man ebenfalls zum Passlift abfahren. Fanden sich an den Schleppliften die blauen Anfängerpisten, so bedienten die Sessellifte neben ihrem Verbindungscharakter die roten, anspruchsvolleren und durchaus interessant trassierten Pisten zurück zur Bergstation der EUB von Val Tournenche. Und hier genau liegt die Krux: die Sessellifte sind heute stillgelegt, stattdessen hat man die beiden Schlepplifte durch eine fixe 4er SB und die besagte KSB ersetzt! Das Ergebnis ist, dass die alten Pisten an den Sesselliften nur noch nach langen Traversen – die man zudem erst einmal finden muss – und dann auch nur noch im unteren Teil zu erreichen sind. Von zügigen und interessant trassierten Pisten kann jedenfalls keine Rede mehr sein!
Ebenfalls sehr ärgerlich ist die Wahl der fixen 4SB für die untere Sektion. Diese Anlage ist nicht nur deutlich zu langsam (vermutlich langsamer als der alte Tellerlift!), sie bleibt vor allem ständig stehen, weil die Anfänger, für die diese Hänge gedacht sind, mit dem Einstieg zu viert bei voller Fahrt nicht zurecht kommen und es ständig zum Nothalt kommt. Auf den wenigen hundert Metern Länge müssen wir also insgesamt sechs Stops über uns ergehen lassen, bis wir die Bahn endlich wieder verlassen dürfen – peinliches Ärgernis!
Fazit: deutliche Abwertung im Pistenangebot, Verringerung der Liftkapazität auf der Verbindung nach Cervinia (die SL in Kombination mit den fixen SB früher hatten kumulativ eine höhere Kapazität als die fixe 4SB heute hat). Glückwunsch, tolle Innovation! Ganz nebenbei fehlen auch einige der früheren Anfängerschlepplifte im Bergstationsbereich der EUB, die meines Erachtens nicht nur zum familiären Charakter, sondern auch zum vielseitigen Angebot des Schigebiets beigetragen haben. Alles in allem finden wir beide dieses neue Val Tournenche schifahrerisch so unattraktiv, dass wir beschließen, so schnell wie möglich wieder zu verschwinden. Zwei blaue Pisten, die durch eine Bahn erschlossen werden, die mehr steht als läuft – besten Dank, Michi würde sagen „n.erf.!“. Einen detaillierteren Früher-Heute-Vergleich, wo ich auch etwas mehr auf die einzelnen Aspekte mit Bildern eingehen will, stelle ich bei Gelegenheit hinter den Bericht.
Bergstation der alten Sesselliftkette von Val Tournenche. Auf der Rückseite liegen mehrere sonnige und sehr interessante Pisten, die heute nur noch im unteren Teil und nur noch über Ziehwege erreichbar sind. Stattdessen dürfen wir mit einem reduzierten Angebot an blauen, mangels Alternativen keineswegs mehr so leeren Pisten vorlieb nehmen! Tolle Innovation!
Der Pass – Colle Cime Bianche Inferiore. Remodellierte Piste, große KSB-Station – nicht gerade mein Fall, war früher schon netter gemacht. Hinsichtlich des Betonverhaus bin ich mir noch nicht sicher, was ich davon halte....
Die untere der beiden neuen Anlagen. Der Begriff „Standseilbahn“ wäre hier treffend!
Gegenrichtung.
Und ohne Erdhaufengebagger geht es natürlich nicht.
Trasse der neuen KSB. Wie gesagt, eine an und für sich sinnvolle Anlage. Nur: warum musste man dafür die zweite Achse aufgeben bzw. wieso ersetzt diese KSB nicht die alten SB bei den interessanten Pisten des Gebietes?
Bergstation des KSB.
Nach diesem kurzen, unerfreulichen Intermezzo, ist unser und insbesondere mein Interesse an Cervinia deutlich gesunken. War Cervinia mir in den ersten Tagen meiner Besuche aufgrund meiner Liebe zu Italien teils sympathischer als Zermatt, so ist es zumindest in den letzten Jahren jedenfalls immer die lohnende Abwechslung gewesen, die das Gebiet insgesamt perfektionierte. Seit dort reihenweise Verschlimmbesserungen vorgenommen wurden (Val Tournenche ist ja nur die Spitze des Eisbergs), so dass man sich teilweise ehrlich fragt, ob sich überhaupt jemand etwas dabei gedacht hat, schließe ich mich mittlerweile der allgemeinen Auffassung an, dass man bei einem längeren Aufenthalt in Zermatt, das Gebiet von Cervinia getrost in einem Tagesausflug abhaken kann. Sicher kein schlechtes Schigebiet und landschaftliche und kulturelle Reize sind ihm ja auch geblieben, dennoch: mit der Nivellierung der verschiedenen kleinen reizvollen Besonderheiten, die das Gebiet einst zu perfekten Ergänzung zum Zermatter Gebiet machten, bleibt heute wenig, was den Ausflug von Zermatt lohnenswert macht. Einen Tagesausflug zum Kennenlernen sollte man einplanen, aber wie früher regelmäßiger Abstecher oder Cervinia gar als Basis – das würde ich heute nicht mehr empfehlen! Es hat zu wenig, was Zermatt selbst nicht auch und oftmals besser bietet. Insofern hält sich unser beider Interesse, hier noch einmal herzukommen, sehr in Grenzen. Der geplante zweite Tag in Cervinia wird damit zugunsten des Gebietes von Zermatt gecancelled, lediglich die neuen Anlagen im Ortsbereich wollen wir uns der Vollständigkeit heute noch kurz ansehen.
Dazu müssen wir allerdings zunächst zum oberen Pass – dem Colle Cime Bianche Superiore – zurückkehren. Dies berwerkstelligt bis heute ein einsamer Tellerlift, der zwar in seiner Abgeschiedenheit faszinierend ist, den ich in seiner Ausgesetztheit aber schon manchmal bei kaltem Wind sehr verflucht habe (wir befinden uns hier erneut jenseits der Dreitausendmetergrenze) und der in diese neuen Liftkette ein derart schwaches Glied darstellt, dass mit einem baldigen Ersatz zu rechnen ist (alles andere würde die Neubauten jenseits des Passes ja ansonsten völlig ad absurdum führen). Da das besondere Element der Abgeschiedenheit – auf das ich im Rahmen des Anschlussbeitrages zu den Veränderungen in Val Tournenche noch eingehen will -, dass diesem Gebiet einst zu eigen war durch seine einsamen Schlepplifte in der Felswüste des südlichen Alpenhauptkamms, heute mit den Pistenneubauten und neuen Anlagen ohnehin passé ist, kann ich nur sagen, dass ein Ersatz dieses oberen Tellerlifts besser heute als morgen erfolgen sollte. Aktuell stellt er schlichtweg ein Hindernis in der Verbindung dar und der alte Style ist ohnhin hinfort. Interessante Optiken ermöglicht das Gelände aber allemal!
Der SL zum Colle C.B. superiore, im Hintergrund der Colle C.B. inf. mit remodellierter Piste und neuen SBs. Der Tellerlift in der Eiswüste wirkt schon interessant, so richtig entfaltete sich diese Wirkung aber v.a. früher, als sich noch ausschließlich jene einsamen SL in die Regionen des ewigen Eises vortasteten.
SL und Piste, eine nette Ecke. Zwischen die Felsen auf dem Grat führte früher der Passlift nach Val Tournenche, eine reizvolle Trassierung. Im Hintergrund erahnt man das Aostatal, am Horizont mahnt der Gran Paradiso.
SL und Gran Paradiso.
Zu unserem geplanten Abstecher nach Cervinia und den dortigen neuen Anlagen soll es allerdings nicht kommen. Trotz Ortskenntnissen mag es uns mangels adäquater Pistenbeschilderung nämlich nicht gelingen, die Piste nach Cervinia auszumachen und so stehen wir wenig später schon wieder am eben besprochenen Tellerlift. Nach einer langwierigen zweiten Auffahrt wird uns die Zeit dann doch etwas zu knapp, so dass wir eine direkte Auffahrt zum Plateau Rosa mit der großen Pendelbahn vorziehen. Diese Anlage wiederum ist technisch höchst faszinierend und vor allem erstaunlich effizient – die richtige Anlage am richtigen Ort. Über die offenen Stationen der moderneren italienischen Pendelbahnbauweise mag man streiten können – mein Fall sind sie nicht so sehr.
Blick von der PB-Bergstation hinab in den Talkessel von Cervinia, rechts unten liegt der Ort. In der Mitte erkennt man zwischen den beiden weißen Hochflächen die Talstation der Pendelbahn. Solche Anlagen mag ich: schnell, effizient, großer Höhenunterschied, kühne Trasse und wenig Verbauung.
Ebenfalls von der Felskante am Rand des ewigen Eises sichtbar sind die Reste der ersten Bahnen, die diese Berge einst erschlossen. Während heute Sektion II und III durch eine EUB 12 und die eben beschriebene Pendelbahn gebildet werden, die im Winkel nach Süden (im Bild links) über den Lago Cime Bianche führen, bestanden sie früher aus zwei Sektionen Pendelbahnen, die parallel und in gerader Linie zum Plateau Rosa führten. Die erste dieser Bahnen stammte noch aus den 30er Jahren und stellte eine Pioniertat und technische Meisterleistung dar. Die Verstärkung auf paralleler Achse folgte in Form der zweiten Bahn in den 50er Jahren. Seit wann die erste Bahn nicht mehr betrieben wird, ist mir nicht bekannt. Die zweite Bahn dürfte seit etwa fünfzehn Jahren stillgelegt sein. Heute zu sehen sind noch die beiden Mittelstationen (hier im Bild), die Stützen der neueren Bahn auf der ersten Sektion (ebenfalls hier zu erkennen) sowie die Ausfahrten im Stationskomplex von Plan Maison und die große und charakteristische Bergstation am Plateau Rosa aus den 30er Jahren.
Bergstation der alten PB, von der Bergstation der neuen PB aus gesehen, die etwas unterhalb endet.
Die breite und schöne Gletscherpiste vom Plateau Rosa hinab in Richtung Cervinia. Im Hintergrund das Gelände vom Colle Cime Bianche Superiore, an dem die Anlagen von Val Tournenche enden. Am rechten Bildrand erkennt man im Grat einen Durchlass, in den das Licht scheint. Dies ist der Colle C.B. inf., durch den die Liftkette von Val Tournenche hindurchführt.
Die weite Hochfläche des Colle C.B. Sup. Links fallen die Hänge hinab ins Ayastal, rechts hinter dem Felskamm liegt Val Tournenche. Im Hintergrund zu Erahnen das weite Aostatal, am Horizont wie stets der Gran Paradiso.
Beton-Wellblech-Türme der neuen PB zum Plateau Rosa. Optisch sicher streitbar, mein Fall sind sie nicht, obwohl ich sie auch nicht gerade hässlich finde. Vielleicht bin ich etwas konservativ, aber: eine PB gehört ins Haus! (Ausnahme: Téléphérique de la Cîme de Caron, aber das ist ein Sonderfall und jene hat auch extrem viel Style, so oder so!).
Während Michi sich auf dem Perron einige Zeit nimmt, die Pendelbahn eingehend zu dokumentieren, widme ich mich einer Aufgabe, die mich schon lange reizte, deren Verwirklichung ich aber zeitlich bei all meinen anderen Besuchen nie so richtig unterzubringen wusste: die Dokumentation der alten und verwitterten Bergstation aus den 30er Jahren, dieses Monument italienischer Seilbahnbaukunst. Die massive Bauweise, die dicken Wände mit den kleinen Fenstern, das alles gibt der Station etwas unverwüstliches, ein Bollwerk aus einer Epoche, als die Technik dem Berg noch trotzen, im widerstehen und seine rauhen klimatischen Bedingungen überdauern musste. Und so hat die Station durch ihre Bunkerbauweise der dreißer Jahre ein abenteuerliches Flair bekommen, das die neue Station in ihrer belanglosen Schlichtheit niemals erreichen wird. Sie erzählt eben keine Geschichten, sie wird mit noch so viel Phantasie niemals mehr sein als ein Perron mit zwei Türmen. Die alte hingegen könnte auch eine der alten Nato-Stationen in der Arktis sein, mit denen die westlichen Allierten den Luftraum in Richtung Sowjetunion einst überwachten. Das Gebäude selbst umwittert ein Hauch von Abenteuer, der es einfach reizvoll macht, sich damit auseinanderzusetzen, es abzulichten, seine Phantasie spielen zu lassen und darin Dinge zu entdecken, die man vielleicht auf den ersten Blick nicht sieht. Und genau hier erreichen wir wieder unseren Ausgangspunkt: die Kombination aus Phantasie und ein wenig Vorwissen, die das alltägliche interessant werden lässt, die diesem funktionslosen Gebäude auf einem beliebigen Berg plötzlich etwas abenteuerliches gibt, das den gesamten Ort beeinflusst und zu etwas Besonderem werden lässt.
Nowaja Semlja, sowjetische Spionagestation, Dezember 1977....
Funkleitfeuer für die Sojus-Raketen, Transponderstation auf Kamtschatka, April 1965.
Troposcatterstation des Funknetzes der Nato, Northern Line, in den Bergen von Baffin Island, Canada, 1972.
Mich fasziniert diese Station. Sie prägt den ganzen Ort, die gibt dem hochgelegen Gletscherplateau eine bestimmte Stimmung, eben jenen kleinen Hauch von Abenteuer, den ich im Gebirge suche. Stünde sie nicht dort, fände sich hier vielleicht ein modernes Panoramarestaurant mit Glasrondell und Schneebar – der gesamte Ort würde völlig anders wirken. Für mich wäre er belangloser, ein Ort von vielen, keine Fasziniation, kein Stil. Irgendein Ort einfach, jedenfalls keiner, an den es mich besonders ziehen würde, der mir interessant erschiene oder der eine Stimmung erzeugte, die mich motivieren könnte, dorthin zu gehen. Eigentlich ist das ein interessanter Gedanke: letztlich trägt diese absolut funktionslose Station auf ihre Art ein Stück weit dazu bei (wenn sicherlich auch nicht allein), dass ich nach Zermatt zum Schifahren gehe. Ziemlich viel Funktion also, für eine funktionslose Station!
Trasse der neuen PB mit Talstation am Lago Cime Bianche und Gondel von der Bergstation der alten PB ausgesehen.
Auf diesem Bild wirkt allerdings auch die neue Station wiederum interessant, weniger aufgrund des Gebäudes, denn aufgrund der interessanten Parallele in der Linienführung zwischen der Turmverkleidung und den weichen runden Formen des Eiskissens des dahinterliegenden Gletschers.
Der Tag neigt sich dem Ende, es ist Zeit in unser Domizil zurück zu kehren. Hat er auch schifahrerisch wenig erfreuliches gebracht und auch hinsichtlich der Neuerungen in Cervinia recht enttäuschend, so sind es doch allein schon die Bilder von der alten Bergstation und die nun folgende Abfahrt zurück zum Theodulpass wert gewesen, hier herauf zu kommen. Im Streiflicht und Licht- und Schattenspiel gleiten wir die weite und entspannte Gletscherpiste hinab zum Pass, meine Augen voller Fasziniation für die schweizerische Bergwelt, die mit ihren sanft rosa erstrahlenden Viertausendern vis-à-vis entgegensteht.
Am Rifugio angekommen beziehen wir unser Zimmer. Einfach, und leider etwas ungemütlicher als dasjenige im Guglielmina, aber für unsere Zwecke ausreichend ist es. Sogar fließend Wasser gibt es in Maßen. Dafür fehlt es dem Rifugio insgesamt allerdings eindeutig am Charme des Guglielmina, insbesondere die Tatsache, dass es sich um einen Neubau handelt, macht es vor allem von außen leider nicht gerade ansehnlich, innen gibt es einen gemütlicheren Teil der Gaststube und ein recht nüchternes, eher weniger einladendes Restaurant. Vor allem fehlt es an einem Ofen! Jetzt, da die Sonne sich senkt, sinkt auch die Temperatur rapide. Abends und Nachts wird mir ein zentraler Ofen, an dem man sich wärmen kann, oder wenigstens auch nur ein Heizköper, sehr fehlen. Die warme Luft strömt aus Röhren an der Decke, der leider denkbar ungeeignet sind, um sich irgendwie aufzuwärmen. Noch aber, spielt das keine Rolle, die Sonne streicht ihre letzten Strahlen noch über die Terrasse, während es im Tal schon lange Abend ist. Ich begebe mich mit Grappa und Tabak auf die Außenterrasse und genieße schweigend die Abendsonne und das damit verbundene unglaubliche Privileg, hier oben bleiben zu dürfen, während alle anderen schon längst im Tal verschwunden sind. Irgendwie ist das mehr mein Style, das alles hier oben, das habe ich schon auf dem Guglielmina gemerkt. Kein Großparkplatz, keine Reservierung im Restaurant, anstehen am Buffet oder was auch immer. Und so ein bisschen ist es ja auch der Inner Circle – wer hier oben bleibt mit uns – allen voran natürlich unsere Wirtsleute – das sind andere Typen als die, die hier noch eben einen späten Kaffee getrunken haben und jetzt wahrscheinlich gerade, nach den ersten Metern bereits schwitzend, durch den Ort unten laufen, um auf den Großparkplätzen vor der „Stadt“ den Mercedes zu suchen und zum Wellnesshotel „all inclusive“ zurück zu kehren. Mir gefällt das hier oben, die Leute, die Ruhe, der Style, das ist meine Welt, nicht das da unten, das war sie noch nie. Ich wusste das nur früher nicht so genau.
Nettes Schild oder?
Ich sitze mit Michi auf der Terrasse und schaue in die Abendsonne. Soeben haben wir schon ein bisschen das „Amerika-Australien-Spiel“ von Homer Simpson gespielt, nach dem Michi unweit der Terrasse im Schnee den Grenzstein zur Schweiz gefunden hat. Unsere durch die Szenerie und die Abendstimmung durchaus sehr überschwengliche Laune motitiviert uns, das tolle Licht und die Tatsache, dass wir in einer der schönsten Ecken Europas sind, für ein paar Stimmungsaufnahmen, Schnappschüsse und schöne Poserphotos zu nutzen. Pfau, der ich nunmal bin, kommt mir das nur gerade recht!
Welch charmantes Lächeln... (Das muss der Grappa gewesen sein!).
„Can't touch this!“ Da da da...
Für Starli: meine Schimontur des heutigen Tages!
Dieser Ort in dieser bescheidenen Traumlage ist unser Domizil.
C4-Poserphotos!
Aus der Hand geknipst.
Es wird Nacht auf Erden, nicht ohne jedoch ein letztes Alpenglühen auf die Gipfel – hier unter anderem das Stockhorn – zu zaubern.
Klein-Matterhorn.
Plateau-Rosa – woher mag es seinen Namen haben?
Michi im letzten Licht der Sonne...
Ich wollte schon immer mal so ein Bild von mir als verwegenem Abenteurer...
Stöckliwerbung!
Nun denn, ist wird kälter und kälter draußen, das Dunkel der Nacht umhüllt die grandiose Szenerie. Drinnen erwartet uns wenigstens etwas Wärme und ein Abendmahl. Dieser beeindruckende Abend hat den Tag auf seine Art gerettet. Einst war Cervinia für mich einer der Sterne des Südens, an diesem Tage ist er weitestgehend zu Staub zerfallen... und dennoch: auch der Sternenstaub vermag bisweilen in einer eigenen Magie zu glänzen, wenn man bloß im richtigen Moment hinzuschauen vermag.