Trincs Bewertung des Gebiets in seinem Bericht teile ich nahezu uneingeschränkt - vielleicht mit ganz deringfügigen Nuancen.
Die auf den Bericht folgende Diskussion über die veränderte Erschließung des Stockhorn-Sektors empfinde ich jedoch als sehr stark von nostalgischem und subjektiv-ästhetischem Empfinden geprägt, und die Bewertung dieser Vorgänge fällt recht einseitg in der negativen Richtung aus. Daher möchte ich hier mal bewusst eine rational geprägte Gegenposition einnehmen:
In den 50er Jahren war der Bau der 2 Seilbahnsektionen ab Gornergrat via Hohtälli die mit Abstand rationellste Lösung, den Stockhorn-Vorgipfel den Skifahrern und Sommergästen zugänglich zu machen. Eine besondere Attraktivität bestand sicherlich darin, dass damit die höchste Seilbahnstation der Schweiz geschaffen wurde. Damit war diese Lösung zu diesem Zeitpunkt absolut richtig und richtungsweisend.
Zu Beginn des 3. Jahrtausends hat sich vieles verändert. Kaum noch Sommergäste verirren sich auf den Stockhorn-Vorgipfel, der weder Shopping-Malls noch Erlebnisgastronomie zu bieten hat. Auch haben ihm das benachbarte Kleinmatterhorn, der im Nachbartal erreichbare Mittelallalin mit Drehrestaurant und die jenseits des Monte Rosa liegende Cresta Rossa längst den Rang als außerordentlich hochgelegene Seilbahnstationen abgelaufen. So wird folgerichtig um 2003 der Sommerbetrieb komplett eingestellt.
Auch für die Skifahrer ist die Seilbahnkette nicht richtig Fisch, nicht richtig Fleisch. Die unteren Hänge des Stockhorn-Sektors sind bei den jüngsten Schneelagen meist nur via der Serpentinenwege zu befahren, was das Wiederholen der schönen oberen Hänge mittels Serpentinenweg, PB Hohtälli und PB Stockhorn zu einer langwierigen Angelegenheit macht. So werden nenneswerte Frequenzen der Stockhornbahn bereits "logistisch" verunmöglicht. Auch die Teilstrecke Gronergrat-Hohtälli steht buchstäblich "neben sich". Kaum jemand stapft von der Gornergratbahn auf hinauf zur Station der Stockhornbahn 1. Viel bequemer ist es, sich auf der "Kelle" einzufahren, um dann mittels der optimal platzierten PB Gant-Hohtälli zum Ziel zu kommen. In der Gegenrichtung erbringt die Bahn zunächst noch wichtige Dienste. "Eilige" Skifahrer, die von Rothorn- ins Kleinmatterhorngebiet wechseln wollen, erreichen mit ihr schnell die Piste nach Furi. Diese Bewegung kann jedoch besser und schneller auf Skiern über die neu angelegte Kellensee-Piste absolviert werden. Diese ist zwar nur ein besserer Ziehweg und mit etwas Zeit im Gepäck empfiehlt sich ohnehin die Genussabfahrt White-Hare/Balmbrunnen zur idyllisch gelegenen Riffelalp, aber für die Eiligen unter uns ist sie ein probates Mittel, schnell den Süden zu erreichen. Und unter landschaftsschützerischen Gesichtspunkten ist diese neue, geringfügig modellierte Piste ohnehin bei weitem unkritischer, als die auffällig und unharmonisch quer in die Bergwelt gespannte Stockhornbahn 1 (*schlagt mich von mir aus*). Mit der ästhetischen Bedenklichkeit meine ich übrigens ausschließlich die Seilführung und keinesfalls die architektonisch genialen und dezent-zeitlosen Stationsgebäude.
So sind diese beiden, ehemals richtungsweisenden Bahnen durch die zwischenzeitlich erfolgte Erschließung, die glaziologisch-klimatologischen Veränderungen und die daraus resultierenden Skifahrerströme realistisch betrachtet obsolet geworden. Es bleibt lediglich ein wenig Trauer über den unwiederbringlichen Wegfall der einst richtungsweisenden Seilbahntechnik. Der tolle Stockhorn-Gipfelhang ist inzwischen durch einen hammer-genialen, steilen Tellerlift ersetzt. Wie - bitte schön - hätte man einen solchen Lift an jeder anderen Stelle in der Bergwelt in diesem Forum bejubelt? Idealst ist dieser umfangreiche Freeride-Sektor, der alles andere als massentauglich ist, mit dieser Konzeption erschlossen.
Damit komme ich zum ehemaligen Lift Gant-Platte. Keine Frage würde er auch heute noch eine schöne und attraktive gewalzte Piste erschließen. Aber Schnee ist in diesem Bereich knapp. Daher hatte man die Piste frühzeitig etwas geebnet, um überhaupt eine Chance zum Walzen zu haben. Dies ist nicht besser geworden. Um diese Piste heutzutage eine nennswerte zeitlang pro Winter offen halten zu können, müsste man sie beschneien und die Modellierung zumindest "pflegen". Wäre dies sinnvoll, in eine schöne und massentaugliche Piste zu investieren, die ein steiler Schlepplift erschließt, der vom Zielpublikum für modellierte und beschneite Pisten kaum akzeptiert würde? Wenn man sich für Gant-Platte entschieden hätte, dann hätte man dies mit allen Konsequenzen tun müssen und eine KSB hinstellen müssen. Wollt ihr das? Stattdessen hat man den Freeridebereich ausgeweitet und das gesamte Gebiet östlich der White-Hare/Kelle zum Freeridebreich erklärt. Nix mehr mit Modellierung! Wenn Schnee liegt, wird gefahren, ansonsten halt nicht. Mittelritz, Platte (unten ehemalige Piste), Trifji, Stockhorn: 4 Freeride-Routen, die ein gewaltiges, reines Freeride-Areal aufspannen, im oberen (schneesicheren) Teil, durch 2 geniale (und unwirtschaftliche) Lifte für Wiederholungsfahrten zugänglich sind und in ihrer Gesamtlänge durch 2 PB über mehr als 1000 Höhenmeter bedient werden. Dazu die Erweiterung per Pedes in den höchst hochalpinen Bereich weiter östlich. Hier steht der krasse Gegensatz des Massenskilaufs in einer sonst unerreichten Größe - der blanke Horror für Ökonomen! In Zermatt bewusst inszeniert! Wie kann es sein, dass dieser Zustand in diesem Forum auf breite Kritik stößt? Mir erschließt es sich nicht.
An dieser Stelle nochwas zum Rothorn-Sektor: Er wirkt mit seinen (Standard-) Anlagen und landschaftlich vordergründig weniger spektakulär als die sehr stilvollen Ecken in den anderen Sektoren - soweit einverstanden. Dies hat jedoch keine entscheidenden Auswirkungen auf den skifahrerischen Reiz und trifft in dieser Form auch nur auf die unmittelbaren Bereiche der drei wichtigsten Beschäftigungsanlagen zu (Patrullarve, Kombi, Findeln). Ich erinnere nur an die "Neben"pisten und -routen: Die idyllische Tufternkumme, eine unmodelierte, ewig lange Abfahrt durch ein unerschlossenes Seitental, wahlweise steigerbar durch den extremst geilen Arbzug; die Hammer-Rothornrouten Chamois und Marmotte; die landschafltich geniale Fluhalp; die sonnig-schöne Paradise mit spektakulärem Einstieg durch die Felsen. Auch dieser Sektor hat meines Erachtens Weltklasse und besitzt lediglich das Manko, direkt auf den Hauptachsen ein wenig den Massenbetrieb zu bewältigen.
Aber wie gesagt: Trincs Bewertung im eigentlichen Bericht erscheint gegenüber meiner Bewertung nicht Widersprüchlich, sondern durchaus kompatibel. Aber ich möchte hier bewusst Positionen beziehen, die meines Erachtens etwas zu kurz gekommen sind. Dies sind Positionen zu Einzelthemen, die meine Meinung über Zermatt nicht vollumfänglich abbilden, zu denen ich aber stehe.
_________________ Chasseral - "Les derniers vestiges ont disparu - la fin d'un rêve"
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