::: Dienstag, 26.6.2007 – Der zweite Lift am Siedelgletscher :::
::: Die ersten Abfahrten am Lift sind definitiv spaßig, aber nach vier oder fünf Runden ist der Standard-Hang dann eben doch irgendwie skifahrerisch ausgereizt. So beschließen Chasseral und ich, über die Steilstufe zum oberen Hang aufzusteigen, eigentlich mit dem Ziel, von dort weiter zu Fuß zur Bergstation zu gelangen um Chasserals morgendliche Abfahrt zu wiederholen.
::: Nach einigen Abfahrten auf der blauen Standardabfahrt beschließen k2k und meine Wenigkeit, nochmals die attraktiven und deutlich steileren Varianten im Bereich der Steilstufe und oberhalb zu befahren. Wir steigen im steilen Gelände vor der Felsstufe aus und machen uns auf den beschwerlichen Weg über Felsen und Schnee, um die Felsstufe zu überwinden. Wiederholt wechseln wir zwischen Fels und Schnee - immer in der meist irrigen Annahme, dass es auf der jeweils anderen Seite einfacher ginge.
k48 - Blick aus dem Steilstück auf den "offiziellen" Teil des Lifts. Wir befinden uns bereits im Aufstieg.
::: Kaum dass jedoch die Bergstation in Sichtweite kommt, macht sich der Liftler von oben auf und kommt uns entgegen. Wir denken uns zunächst nichts weiter, bis dieser anfängt uns etwas zuzurufen. Wir verstehen jedoch nur Bahnhof und setzen unseren Weg weiter fort, bis Chasseral, der ungefähr 20 m Vorsprung vor mir hat, den guten Mann erreicht. Nachdem die beiden einige Zeit miteinander diskutiert haben, folgt ihm Chasseral hinüber zum Lift und positioniert sich an der Schneegrenze. Der Liftler dagegen läuft ungefähr 30 m über die Felsen die Lifttrasse hinunter...
::: Vor der Monsterstütze sehe ich einen Mann - offensichtlich Liftmitarbeiter - stehen, der wild fuchtelt und versucht, uns etwas mitzuteilen. Die letzen steilen Höhenmeter liegen vor uns. Ich befürchte zunächst, er wolle uns einen "Anschiss" verteilen, weil wir dreist den Felsen vor der Steilstufe umfahren und eine Seilentgleisung billigend in kauf genommen haben. Ich schlage eine neue Richtung ein, um einen größeren Bogen um diesen dubiosen Menschen zu machen - aber er lässt nicht locker. Dann hörte ich ihn auch rufen. Nachdem ich das Italienisch zunächst überhaupt nicht verstanden habe, werden dann doch einige Worte klar und führen in Verbindung mit den Handbewegungen zu einer halbwegs sicheren Vermutung: Er will uns die Teller dort oben runter holen und die Liftfahrt zur Bergstation ermöglichen! Ich kann mein Glück kaum fassen! "Dass ich das noch erleben darf", hätte ich fast gerufen.
Zielstrebig steige ich auf den Herrn zu (der sich später als Berufskollege von mir herausstellen sollte und hier am Lift aushilft) und meine Hoffnung bestätigt sich. Nachdem ich unten bereits als vermutlich erster Forums-Mensch einsteigen durfte, kam ich jetzt auch noch in den fast schon abgeschriebenen Genuss, die Spur im oberen Teil einfahren zu dürfen. Wahnsinn!! Der Lift-Mensch fängt den Teller im extrem steilen Bereich vor der Monsterstütze ab und läuft dann mit dem Teller 20 Meter über Felsen, um dem Einsteigenden den Teller zu überreichen. Bis er dann den nächsten Teller ziehen kann, sind 2 Teller ohne Fahrer durchgelaufen. Dieser Logik zufolge fährt k2k 3 Teller hinter mir.
::: Das also hatte er im Sinn! Service und Gastfreundschaft pur für die verrückten Deutschen, denen Dank ihrer tief im Bewusstsein verinnerlichten Obrigkeitshörigkeit und ob des wilden Gefuchtels natürlich nur wieder das übliche Schuldbewusstsein wegen des Übertretens von Artikel 123 der Schleppliftverordnung in den Sinn kam! Denn schließlich haben wir unten unter Missachtung jeglicher Sicherheitsvorschriften im Lift einen Felsen umfahren, um die Aufstiegshilfe ein wenig weiter ausnutzen zu können.
Freudig lege nun auch ich die letzen Meter zum improvisierten Einstieg zurück, während Chasseral sich bereits im gemächlichen Lift-Tempo bergwärts ziehen lässt.
Dann wiederholt sich das Spiel von neuem, der Liftler begibt sich zur Steilstufe, fischt einen Teller, und legt beinahe im Laufschritt (denn ganz so langsam ist der Lift dann doch nicht) den Weg über die Felsen zurück, um mir den Schleppteller in die Hand zu drücken. Ich möchte mich gerne aufs herzlichste bei dem guten Mann bedanken, aber zu mehr als einem simplen "Mille grazie" reichen meine Kenntnisse der italienischen Sprache leider nicht. Darüber hinaus muss ich mich auch umgehend auf den anziehenden Lift einstellen, denn eine Schleppspur ist hier oben noch weniger vorhanden als im unteren, offiziellen Teil des Lifts. So geht es zunächst über etwas holperigen Untergrund mit zwei größeren Bodenwellen, die zwar keine riesige Herausforderung darstellen aber, auch nicht unbedingt als trivial bezeichnet werden können.
C73 - Der Liftler fischt sich den Teller im Steilstück und läuft mit ihm 20 Meter über den Felsen.
C74 - Dann ist k2k im Lift.
C75
C76
Chasseral dagegen hat inzwischen beinahe das Ende der Schneegrenze erreicht. Der Ausstieg erfolgt direkt vor der letzen Stütze in steilem Gelände. Ein befahrbares Ausstiegsplateau existiert wohl auch bei üppiger Schneelage nicht. Hier ist auch das Liftfahren noch eine echte Herausforderung. Ein paar Meter leichte Schrägfahrt noch am Schuttfeld unterhalb der Bergstation entlang, in dem Wissen dass die Jungs hier wirklich nichts gegen Aus-der-Spur-Fahren haben, aber eben nur soweit es der gesunde Menschenverstand vertretbar erscheinen lässt. Dann bügelt er gekonnt im Steilhang ab und freut sich auf eine erste Abfahrt an unserem "Privathang" für die nächste halbe Stunde.
Impressionen:
C78 - Blick nach unten: Vor dem Felskopf, der sich exakt in der Bildmitte befindet, finden sich die Mittelstation der ENEL-Seilbahn sowie das Rifugio Citta di Busto.
C77 - Alte und neue Bergstation. Lift und Piste laufen hier über den Camosci-Gletscher, der in diesem Bereich wirklich noch einer ist - wenn auch von bescheidenen Ausmaßen.
K50 - Als ob es nicht ohnehin schon ein Privileg wäre, hier oben Ski fahren zu dürfen, haben Chasseral und ich jetzt sogar noch einen extra Privatlift für uns - und das vor nicht zu verachtendem Panorama!
K52
K53 - Jeder Zentimeter Schnee wird ausgereizt.
K54
So wiederholt sich das Spielchen nun ein paar Mal, bis wir genug haben. Nach der letzen Bergfahrt beschließe ich, noch die letzen Meter von der neuen zur alten Bergstation aufzusteigen, um von dort, während Chasseral die ersten Schwünge in einem Clip mit der Kamera festhält, die Abfahrt bis ganz hinunter zur "offiziellen" Talstation und zum noch ahnungslosen Rest der Crew unter die Bretter zu nehmen. Bei traumhaften Bedingungen wohlgemerkt, dies sei der Vollständigkeit halber noch erwähnt.
::: Dies ist also das Schigebiet am 3A, wie es sich präsentiert. Heute sind lediglich die Abfahrten 5 und der untere Teil der Abfahrt 3 nicht zu fahren - ansonsten ein absolut beachtlich vielseitiges Schigebiet, mit vielen reizvollen und erstaunlich anspruchsvollen Variationen bei einem traumhaften Panorama und wohl einzigartigem Ambiente. Der Lift ist 1,4 km lang, der Höhenunterschied beträgt 400m, alles in allem dürften so in etwa 6 - 7 km Abfahrten zusammen kommen - bei "normaler" Zählung also etwa 15km.
Dazu kommt der extrem sportliche Charakter. Neben den wirklich leichten Anfängerhängen gibt es mehrere Steilhänge, die eine echte Herausforderung sind und viele fordernde Passagen, die wirklich Spaß machen! Am beeindruckendsten ist aber, wie "gefühlt" groß das Schigebiet ist: ich kenne eine Menge Gletscher, wo einem schneller langweilig wird!
::: Dienstag, 26.6.2007 – Finale Grande :::
::: Endlich kann ich (die noch "ahnungslosen") gerrit und [trincerone] bei deren Liftfahrt etwas zurufen, was diese aber nur bruchstückhaft verstehen können. "Oben gibt es einen zweiten Lift", rufe ich, was anlagentechnisch natürlich nicht stimmt, topologisch aber doch. Obwohl gerade [trincerone] die Möglichkeit eines separaten Liftbetriebs oberhalb der Steilstufe im Vorfeld schon mal ins Feld geführt hatte, glaubt er bislang offenbar nicht an diese Möglichkeit. Dann versteht er aber sehr schnell, was ich meine. Auch Gerrit ist sofort "dabei". Es gibt kein Zögern und kein Halten mehr.
::: Als wir wieder am Liftbügel hängen, schwingt plötzlich Chasseral neben uns ab, er ist ganz aufgeregt und euphorisch und ruft uns zu, dass es weiter oben "noch einen kompletten zweiten Lift" gäbe. Nachdem wir nicht annehmen, dass diese Aussage Folge von höhenbedingtem Sauerstoffmangel ist, bleibt als Lösung nur die Möglichkeit, unseren Schlepper auch oberhalb der Felsstufe für das letzte Teilstück benützen zu können. Natürlich wollen wir uns das sofort ansehen, und so bügle ich an der allgemeinen Ausstiegsstelle nicht ab, sondern stemme mich gegen den Bügel und umfahre den ersten Felsen, erst im Steilhang (35°, wie später von k2k gemessen) knapp vor der Felsstufe lasse ich den Bügel fahren und schnalle ab.
::: Ich kann es kaum fassen: diese ein wenig verrückte Idee, die ich bei der Planung im Vorfeld äußerte, den Lift oberhalb der Steilstufe als zweite Sektion zu nutzen: die machen das tatsächlich!!! Wie cool kann man bitte sein? Absolut genial! Als sich die gewohnte Ausstiegstelle nähert, beginne ich mich zu konzentrieren. Schon bin ich im Ausstiegsbereich, jetzt kommt ein kleiner, aber steiler Wall an deren Ende, der gekonnt zu nehmen ist und – zack! - bin ich außerhalb der offiziellen Schlepplifttrasse im unpräparierten Firnfeld! Cooles Gefühl, irgendwie Schleppliftfreeriden! Aber viel Zeit darüber nachzudenken habe ich nicht, das Gelände wird zusehends steiler, eine Spur gibt es nicht mehr. Und dann nähert sich die untere Felsnase, die den Grund für den tiefen Ausstieg darstellt. Mit aller Kraft stemme ich mich gegen das Seil nach links außen und fahre auf den Kanten der Schi nur eine ganz wenige Zentimeter an den äußerten Felsen vorbei. Das Tellerseil ist aufs äußerste gespannt, gerade meine ich, dass meine Schi drohen, den Bodenkontakt zu verlieren, da bin ich vorbei und kann wieder zurück in die Mitte der Trasse. Und jetzt kommt der Steilhang! 35° hat k2k gemessen, an den extremsten Stellen mag es sogar mehr sein... der Ausstieg vor der richtigen Felsbarriere wird zur gewagten Akrobatik – und ist dennoch genial!
G257, 11:07 - Chasseral beim Umfahren des ersten Felsens.
G259, 11:07
K62 - "Aus-der-Spur-Fahren verboten!". Naja, Ausnahmen bestätigen die Regel Umfahrung des "Stör-Felsens" bei gut 70% und damit fast "Harakiri"-Gefälle.
K56 - [trincerone].
K57
G265, 11:10 - Per Pedes geht es nun den steilen Hang neben den Felsen hinauf.
G266, 11:10 - Trincerone in der Steilstufe.
K58 - Aufstieg über die Steilstufe.
G267, 11:10 - Chasseral kann es gar nicht erwarten.
G268, 11:14 - Und schon ist er bei der Anbügelstelle.
G271, 11:15 - Trincerone hat noch ein paar Höhenmeter vor sich.
::: Dann befahren wir die zweite Teilstrecke des Lifts. Der obere Hang ist zwar nur kurz, aber angenehm von der Neigung und sehr nett vom Schnee. War schon der untere Einstieg zumindest als unkonventionell zu bezeichnen, so ist wohl das Anbügeln am oberen Einstieg das krasseste an Dienstleistung, das ich je von einem Liftwart bekommen habe.
Etwa 20 bis 30 Meter unterhalb der Einstiegsstelle hängen die Bügel niedrig genug, um vom Boden aus erreicht zu werden. Der Liftwart schnappt dort den Bügel und geht (vielleicht auch deshalb die niedrige Schleppgeschwindigkeit?
) mit demselben bergan bis zu einem kleinen Schneehaufen und überreicht den Teller dann mit einer kleinen Verbeugung an den Schifahrer. Das krasse daran ist, dass man selbst bei der geringen Schleppgeschwindigkeit eben nicht einfach so ohne weiteres über die unwegsamen, glitschigen Felsen laufen kann. So kommt er ins Stolpern, fängt sich wieder, holt auf, erreicht die Schneegrenze. Hier ist es dann endgültig vorbei: jedes Mal, aber auch wirklich jedes Mal kommt der arme Mann ins Rutschen und kann gerade noch aus der Bewegung heraus den Teller überreichen, als wollte er sagen: „Lasst mich zurück, es ist die Mission, die zählt!“
G272, 11:23 - Chasseral in Erwartung der Bergbeförderung.
G273, 11:23 - Der Teller wird gebracht.
G275, 11:24 - Gleich erfolgt die Übergabe.
G277, 11:24
G279, 11:24 - Und los gehts!
G282, 11:24 - Und weil es so schön war, noch einmal mit [trincerone] als Modell.
G285, 11:25
G287, 11:25
::: Die Fahrt mit dem Lift hier oben ist ein geniales Erlebnis! Das exponierte Firnfeld klebt geradezu an dem ausgesetzten Felssims – wie ein Balkon über einer gigantischen Szenerie. Die Abgeschiedenheit, die Ruhe, das alles hat eine faszinierende Stimmung. Und mitten drin dieser kleine Sommerschilift ohne Trasse, der hier oben heute unser Privatlift ist und dessen Bodenabstand im Mittelteil so groß wird, dass die Schi vom Boden abheben. Was für ein geniales Ambiente!
C67 - Gerrit und [trincerone] endlich auch in der Liftspur des oberen Liftteils.
C68 - Gerrit vor majestätischer Kulisse.
C69
C70 - Das Abbügeln im extrem steilen Gelände an der letzten Stütze bedingt akrobatische Übungen.
G288, 11:28 - Am obersten Ausstieg des Lifts: Dach der alten Welt!
G290, 11:29
::: Einige Male befahren wir das oberste Teilstück, und dann überreden wir trincerone noch zu einer (für ihn neuen, für uns nochmaligen) Befahrung der Abfahrt Nr. 3 bzw. 3a, die durch ihre Streckenführung etwas abseits der Lifttrasse und den noch immer genialen Firnschnee zweifellos einen der vielen Höhepunkte dieses Tages darstellt.
G298, 11:30 - Die beiden zaubern ihre Schwünge in den Firn.
G301, 11:30
G309
G311
G317
::: Der Skitag wird immer besser und für mich zum dritten Mal nehmen wir die einmalige Abfahrt jenseits des Liftes (Nr. 3 und 3a) in Angriff. Der Firn wird immer besser und die Schwünge gelingen bei leichtester Gewichtsverlagerung perfekt rund und ohne jeglichen Krafteinsatz. Einer der besten Untergründe, die ich je hatte. Im Wissen, dass dieser glückliche Moment bald vorüber sein würde, legen wir einige Foto- und Landschafts-Betracht-Pausen ein. Nochmal fahren wir spaßeshalber in Kurzschwüngen durch die Variante mit dem nur einen Meter breiten Schneeband aus perfektem Firn, bevor wir dann über den kurzen, aber extrem steilen 3a-Hang zur Hauptpiste hinunter kommen. Dort treffen wir auf Volker und Phillip, die fleißig und mit Spaß am üben sind.
::: Um 12 wollen wir wieder im Rifugio sein, Zusammenpacken, die Rucksäcke für die erste Teilstrecke in die Materialseilbahn räumen, schließlich hat jeder von uns noch einen langen Heimweg vor sich. Also erhalten wir von unserem neongelben Freund zum letzten Mal einen Bügel gereicht, wieder stemmen wir uns gegen das Seil und umrunden den ersten Felsen, doch diesmal schnallen wir an der Felsbarriere nicht mehr ab sondern befahren den kurzen Steilhang (2a) hinüber zum Ziehweg zur Hütte. Der Schitag am Siedelgletscher ist für uns nun zu Ende!
::: In Anbetracht der in Kürze anstehenden Liftschließung und der langen Heimreise treten wir die letzte Liftfahrt an, die uns noch mal ganz bis zur Steilstufe führen wird, um den steilen 2a-Hang zu fahren, den ich bislang als einzige Abfahrtsvariante noch nicht gefahren bin. Kurz aber perfekt diese letzte Ski-Aktion und dann geht's mit Schwung quer den Ziehweg entlang in Richtung Hütte - wiederum bis zum letzten Zentimeter Schnee vor dem zu überquerenden Blockwerk. Überglücklich falle ich in den Schnee!
::: Diese letzten Schwünge sind die schönsten meines Tages! Dicht an dicht stürzen sich Gerrit, Chasseral, k2k und ich in den Steilhang - Philip und Volker warten unten auf uns. Der Schnee ist perfekt, die Steilheit genial, ein kurzer intensiver Rausch - bis Schi auf dem Ziehweg zum 3A ausgleiten....
::: Dienstag, 26.6.2007 – Abstieg :::
::: Immer noch geflascht stehen wir vor der Hütte, feiern, albern rum, machen Spaß. Ich verpasse Oli meine Pilotenbrille, er posiert, ausgelassen ist die Stimmung. Höhepunkt ist der Moment nach dem kurzen Mittagessen, als ich noch einmal die Gitarre hole und wir alle zusammen und sogar wie es sich gehört merhstimmig im Ref die Hymne aller Retroskistyler anstimmen: SCHIIIIIII FOAN FOAN FOAN FOAN!!!!"
Die Italiener applaudieren, die Stimmung ist großartig, ein herzlicher Abschied, Nummern werden vergeben, stylische kleine Abschiedsgeschenke. Wir laden das Gepäck in die Bahn, sagen ein letztes Mal auf Wiedersehen und beginnen den Abstieg.
K2
::: Gegen 12 Uhr sind wir wieder beim Rifugio und Angus freut sich natürlich sehr, daß er aus seiner Verbannung erlöst wird. Schnell wechsle ich noch einmal die Kleidung bzw. führe eine letzte Katzenwäsche in meinem Privatwaschraum durch, dann sitzen wir noch ein paar Minuten im Gastraum und kommentieren begeistert den Vormittag. Ich habe schon in der Früh bezahlt, die anderen holen das jetzt nach und auch eine Spende für die wackeren Liftbetreiber wird gesammelt. Die Stimmung ist großartig, wir freuen uns über den Schi-Tag, und die Hütten- bzw. Liftmannschaft freut sich augenscheinlich über unsere Begeisterung. Wir bekommen noch ein paar Brötchen und reichlich zu trinken, dann ist es so weit. Zumindestens für die ersten Höhenmeter brauchen wir das Gepäck nicht zu schleppen, es wird mit der Materialseilbahn über den Stausee hinunterschweben.
T24
G321ps, 12:52
G322, 12:53
K1
::: Ohne die schweren Rucksäcke geht es fix, anfangs gibt es ein paar nicht ganz einfache Stellen auf Schneefeldern, aber auch diese sind schnell passiert. Dann kommen Oli, Steffen, Philip und ich auf die Idee, dass man doch auf den Altschneeresten in den Taleinschnitten viel schneller hinab kommt und es folgt ein mords lustige, ziemlich chaotische Schlitterpartie die Altschneerinnen hinab, die insbesondere Oli bravourös in Kurzschwüngen ohne Schi meistert während Philip in der Diretissima Geschwindigkeitsrekorde zum schwindlig werden aufstellt.
::: Highlight des nach dem Beladen der Materialseilbahn in Angriff genommenen Abstieges sind für mich eindeutig die Abfahrten auf Bergschuhen in den Altschneefeldern. Diese sind noch in nahezu allen Rinnen vorhanden, so dass ein Großteil der Höhendifferenz zum Sabbione-Stausee auf diese angenehme Art und Weise bewältigt werden kann. Einige bevorzugen eine skifahr-ähnliche Haltung mit Schwüngen, andere wiederum eine zünftige Schlittenfahrt auf dem Hosenboden.
T02
C90 - Von links k2k, [trincerone], Phillip; dazwischen meine eigene Spur.
::: Unten auf dem Weg warten wir auf Gerrit, Volker und Angus, die einen konventionellen Abstieg bevorzugt haben. Oberhalb des Stausees folgen wir dem Weg talauswärts zur Staumauer. Die Landschaft ist einzigartig und faszinierend. Die grünblaue Gletscherwasser, die kahlen, fast schwarzen Berge und der sanfte weite Sabbionegletscher, der immer noch fast in den See fließt, geben diesem Ort etwas Arktisches.
G325, 12:59 - Der Lagio Sabbione, unser erstes Etappenziel am Abstieg.
G331, 13:05
T03
T04
T05
K64a - Könnte auch in Grönland sein...
K65 - Über die Staumauer geht es ans andere Ufer zur Talstation der Materialseilbahn zum Rifugio.
G348, 13:39
::: Während die anderen auf der anderen Seite der Staumauer direkt zur Materialseilbahn aufsteigen mache ich einen kleinen Spaziergang durch die Relikte dieses Monumentes der ENEL. Faszinierend sind die alten Anlagen am Staudamm: Tunnel, gigantische Fundamente aus der Bauphase, Reste von Stromleitungen, der alte Schlepplift, Bunker und Betongänge! Und alles liegt schweigend in dieser wunderschönen Einöde...
T06
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T11
::: Jenseits der Staumauer müssen wir noch einen kurzen Zwischenanstieg hinauf zur Talstation der Materialseilbahn machen, unser Gepäck ist gut angekommen. Allerdings muß es auf der Talfahrt viel schwerer geworden sein, die Rucksäcke liegen schwer auf unseren Schultern und wir können uns eigentlich nicht erklären, wie wir es am Sonntag geschafft haben, diese Ungetüme fast 1000 Höhenmeter hinauf zu tragen.
Höchst fotogen präsentiert sich der "Lift des Staudammwarts", ein gar nicht so kurzer Schlepper, der wirklich nur als Freizeitbetätigungsmöglicheit für die hier oben stationierten Angestellten der ENEL im Winter gebaut wurde, aber schon einige Jährchen nicht mehr gelaufen sein dürfte.
G354ps, 14:06
T12
G356, 14:10 - Die Bergstationen der alten und neuen Kraftwerksbahn.
::: Noch einmal werden jetzt die Rucksäcke auf den Rücken geschnallt, meiner sitzt diesmal doch wesentlich besser als beim ersten mal, es läuft sich gut, vor allem, wenn man keine Erdstufen vor sich hat, für die dann doch immer Stockeinsatz zum Schutze der Gelenke nötig ist. Entlang der alten Seilbahn folgen wir dem schönen, ansonsten sehr unberührten Tal. Vis-a-vis sehen wir das Plateau mit dem Rifugio, wo wir auf dem Hinweg rasteten und der alten Bauseilbahn.
T13
K66 - Dann heißt es wieder Gepäck schleppen.
K66a
G361, 14:40
Nach einer Querung des Bachbettes kommen wir dann an eine etwas unschöne Stelle: auf ca. 2100m steht ein Schild, man solle dem vor uns liegenden Weg lieber nicht folgen wegen Erdrutschgefahr, sondern den Umweg über das Plateau nehmen. Das liegt aber 400m über uns und da will nun wirklich niemand rauf heut nachmittag - außerdem gilt: "Wenn ich dem Erdrutsch nichts tue, tut er mir auch nichts!".
::: Der Beginn des weiteren Abstiegs ist zunächst relativ harmlos, ein paar Schneefelder sind zu überqueren, aber wir marschieren durch einen flachen Graben und kommen gut voran.
Dann kommen wir jedoch zu einer Abzweigung, nach links ginge es wieder hinauf auf die Hochfläche zum Rifugio Citta da Busto, geradeaus verläuft unser vorgesehener Weg weiter hinunter in den Graben zum Lago Morasco. Allerdings prangt hier ein großes Schild mit einer expliziten Warnung, der Weg wäre höchst gefährlich und soll deshalb nicht mehr benützt werden. Müssen wir jetzt wirklich mit all dem Gepäck wieder 300 Höhenmeter aufsteigen? Zwar können wir dem Text Hinweise auf einen neuen Pfad 100 Meter (Höhenmeter?) weiter links entnehmen, aber zumindestens von unserem Standort ist davon nichts zu erkennen. Egal, es sind eindeutig frische Spuren im ursprünglich vorgesehenen Weg, also gehen wir einfach weiter. Zunächst gibt es auch keine Schwierigkeiten, aber nach einer weiteren Viertelstunde ist der Pfad wieder durch eine Tafel und einen quer gespannten Zaun versperrt.
T14 - Hm...
Alles in uns hat nur mehr einen Wunsch, so schnell wie möglich hinunter und endlich die schweren Trümmer von den Schultern runter, deshalb hat auch die Vernunft keine Chance und wir überklettern den Zaun und balancieren weiter unsere Lasten den Berg hinunter. Spätestens hier macht sich der große Nachteil von trincerones Tragetechnik bemerkbar, die quer eingespannten Schi behindern ihn auf dem schmalen Pfad, der nun direkt an einem steilen Abhang verläuft, natürlich sehr.
Bald wissen wir auch, warum dieser Weg eigentlich gesperrt ist. Bodenerosion hat zum Abbrechen der Wegbefestigung geführt und vor allem eine Stelle verursacht mir erhebliches Herzklopfen: der Steig ist massiv ausgewaschen und man muß über eine kurze Strecke ganz knapp an der Felswand entlang über einen Abgrund balancieren, schon ohne Gepäck eine Herausforderung, aber mit dem Rucksack und den Schiern drauf natürlich ein besonderer Nervenkitzel. Ich bin der erste in unserer Reihe und atme auf, als ich die Stelle glücklich gemeistert habe. Langsam passieren auch die anderen die Schlüsselstelle und es geht weiter. Trincerone mit seiner großen "Spurbreite" und Volker tun sich jetzt besonders schwer und kommen nur mehr langsam voran. Ich überlege, ob es günstiger wäre, auch langeamer zu gehen bzw. immer wieder stehen zu bleiben, um auf die beiden zu warten, allerdings habe ich Angst, ob nicht vielleicht weiter unten eine Stelle kommt, an der der Weg vielleicht ganz weg ist und wir deshalb alle wieder hinauf müssten, daher beschließe ich, zügig (soweit mir das möglich ist) weiter zu marschieren, um den anderen im Fall einer nötigen Umkehr wenigstens einigen Höhenmeter zu ersparen.
::: Was hinter der Warntafel folgt ist ein spektakulär ausgesetzter Weg über den verdammt tiefen Abgründen der Schlucht. Die 300 Höhenmeter zurück ins Tal dauern gefühlt genauso lang wie der gesamte Rest der Strecke vom 3A hierher. An nicht wenigen Stellen ist ziemlich klar: Fehler = Exitus. Normalerweise mag ich solche ausgesetzten Wege relativ gern, heute hingegen gefällt mir das gar nicht. Mit 20 kg Gepäck ist man nämlich deutlich weniger trittsicher, macht wesentlich schneller Fehler, v.a. aus Unachtsamkeit. Dazu kommt, dass der Rucksack leicht zur Falle werden kann, wenn man aus dem Gleichgewicht kommt. Vor allem habe ich meine Schi ja quer montiert, was sich hier als unangenehm erweist: berühren sie den Fels, was auf einem so engen Weg schnell geschieht, gibt das jedesmal einen sehr unschönen Stoß in die andere Richtung.
T15 - Hinter Warntafel: fasznierender Weg, der hier noch wenig problematisch ist.
T16 - Stütze der alten Baubahn.
T17 - Mit jedem Meter wird der Weg ausgesetzter! Unten erkennt man schon unsere Wagen auf dem Parkplatz bei der Talstation.
T18 - Volker am Abgrund.
T19
T20
T21
T22 - Lieber nicht ausrutschen jetzt...
::: Oft bin ich erleichtert, als sich nach verdächtig aussehenden Wegbiegungen doch immer wieder zeigt, daß wir die gefährlichste Stelle wohl schon hinter uns haben und uns dem Talboden langsam aber stetig nähern. Genuß ist dieser Abstieg keiner, Chasseral und ich sind schon sehr froh, als wir endlich die Talsohle erreicht haben und nur mehr einige kleine Brücken über Gletscherbäche bis zum Parkplatz zu überwinden sind.
::: Mit viel Konzentration, der nötigen Erholungspausen und entsprechender Achtsamkeit kommen wir ohne größere Probleme an. Volker und ich sind die letzten, die anderen vier waren deutlich schneller. Diese letzte Etappe vermochte mich dennoch nicht zu falschem Ehrgeiz anregen, weil ich wusste, dass das die Situationen sind, in denen Fehler passieren. Und ein bisschen genieße ich auch die Zeit, diesen faszinierenden Weg zu bestaunen. Ausgesetzt und reich an Impressionen, ohne den Rucksack wohl ohne Zweifel ein absolutes Highlight! Im untersten, flachen Stück, kommen uns Philip und Steffen entgegen, die Volker noch ein paar Sachen abnehmen.
T23 - Auf den letzten Metern: bizarres Bild, der Schifahrer im Grünen Dschungel!
K67 - Der letzte Teil des Abstiegs führt teils recht ausgesetzt über dieser Schlucht entlang. Noch etwas Nervenkitzel zum Schluss der Tour.
T01 - Am Ziel!
::: Der unterste Abschnitt unterhalb der Mittelstation der alten Seilbahn zieht sich deutlich länger hin als vermutet. Dieser Abschnitt - offiziell nicht mehr begehbar - ist in seiner heutigen, verfallenen Form durchaus interessant aber wirklich auch nicht "ohne". Um kurz nach halb Vier erreichen Gerrit und ich den Talboden, wenig später unsere Fahrzeuge, wo wir uns des Ballastes entledigen, um kurz vor Vier die Nachzügler im Talboden in Empfang zu nehmen. Diese hatten sich mehr Zeit gelassen und damit sicherlich keine schlechte Wahl getroffen. Das Teilen der Linzertorte in sechs Stücke (Angus geht leer aus) ist eine der letzten "Aktionen" im Formazza. Es fallen einige Regentropfen und das richtige Leben hat uns wieder.
::: Nun kommt endlich der Augenblick, in dem die Rucksäcke zum letzten Mal von den schmerzenden Schultern genommen werden können, die Bergschuhe verschwinden im Kofferraum und die bequemen Turnpatschen werden angezogen. Nach und nach treffen die anderen ein und gegen 16.00 Uhr stehen wir alle am Parkplatz und verspeisen jeder ein Stück Linzer Torte, die ich bei meinem Kongreß in Oberösterreich geschenkt bekommen und für diesen Augenblick mitgenommen habe.
Angesichts der fortgeschrittenen Stunde und des langen Heimwegs fällt der Abschied eher kurz aus, und bald finde ich mich wieder auf der kurvigen Straße durchs Val Formazza. Ein wunderschönes Bergerlebnis mit drei Freunden (und zwei neuen Bekannten) hat nun sein Ende gefunden.
K68 - Die Crew.
::: Dienstag, 26.6.2007 - Reise, Reise :::
::: Völlig unproblematisch und entspannt verläuft die Rückfahrt. Dem Schweizer Zöllner in der Gondoschlucht erscheine ich suspekt und er beschlagnahmt mal kurzzeitig meinen Ausweis, um ihn durch den Fahndungscomputer zu nudeln - stört mich heute alles nicht. Erfreulich ist, dass ich Raron im Wallis noch um kurz vor halb Sieben erreiche. Das gibt mir die Möglichkeit, mich noch ein wenig mit Walliser Wein einzudecken. Alles Weitere ist reine Routine und einer der bemerkenswertesten Alpen-Ausflüge ist zu Ende.
::: Nachdem Gerrit und Oliver sich in Richtung Heimat verabschiedet haben, beladen auch wir gemütlich das Auto und machen uns auf den Weg talauswärts - noch unschlüssig, wohin die weitere Reise gehen soll. Schon nach wenigen Metern macht sich bei mir der fehlende Schlaf bemerkbar, ich kämpfe zwar dagegen an, aber mit knapp drei Stunden Nachtruhe habe ich nicht wirklich eine Chance. Unausweichlich die aufkommende Übelkeit auf der kurvigen Strecke, die vermutlich auch in mangelnder Nahrungsaufnahme ihre Ursache hat.
::: Triste und düster gestalten sich die ersten Kilometer zurück entlang der wilden Seenlandschaft, während aus den tiefhängenden dunklen Wolken ein leichter Nieselregen fällt. Doch nach wenigen Kilometern bereits erahnen wir das Ende der Wolken: wie abgeschnitten am südlichen Alpenrand geht das düstere triste Grau in ein umso gleißenderes blendendes Strahlendblau sommerlichen Junihimmels über, das wärmer und einladender nicht sein könnte. Bald fahren wir durch ein in ein wundervolles warmes Sommerlicht getauchtes, frühsommerlich grünes Tal, das lieblicher kaum sein könnte. Als Steffen anmerkt, dass er gerne eine kleine Pause machen würde, halten wir in dem bezaubernden kleinen, typisch italienischen Dorf Baceno und genießen die Sonne.
::: In Baceno, wo das Val Formazza ins Valle Antigorio übergeht, halten wir an, und während ich mich unter den kritischen Blicken der Einheimischen mitten im Dorf auf den Boden in die warme Juni-Sonne lege, um mich von meiner Schwäche zu erholen und mittels Cola die Lebensgeister zu reaktivieren, diskutieren wir wie es weiter gehen soll.
T16 - Idyllisches Dorf Baceno - heimgesucht von den dt. Touriprolls!
T03 - Schnapsleiche am Wegesrand.
Die Wetterprognosen für Zermatt, die Christian schon am ENEL-Parkplatz telefonisch eingeholt hat, sind nicht allzu überzeugend. Von der Atmosphäre her, so sind wir uns einig, kann uns Zermatt ohnehin nach diesem Morgen am Siedelgletscher kaum noch eine Steigerung bieten. Dazu verdrängt die mit jedem Meter talwärts zunehmend sommerlicher werdende Stimmung nahezu sämtliche Gedanken an wintersportliche Aktivitäten, die Sommerlaune hat uns eingeholt.
::: In Baceno und während der Weiterfahrt mache ich mir Gedanken über das weitere Programm, das ich meinen Mitreisenden bieten will. Zermatt ist aufgrund der mäßigen Wetterprognose und der Tatsache, dass den Siedel jetzt eigentlich ohnehin nichts mehr übertreffen kann, auf der Liste möglicher Ziele weit abgefallen. Während wir mit geöffneten Fenstern die liebliche Talaue hinabfahren und warme, herrlich frisch und nach Leben duftende Sommerluft in den Wagen strömt, kommt mir eine andere Idee. Sommerschi! Perfektionieren wir ihn doch und fahren an den Ort, der den herbsten Kontrast zu Eis und Kälte des heutigen Morgens bieten kann: die wundervollen Uferlandschaften des Lago Maggiore!
::: Die Fahrt gestaltet sich wie immer kurzweilig, von der Schnellstraße erblicken wir das Skigebiet von Domobianca, das Christian im Winter besucht hat, und den Taleingang des Val Anzasca, das nach Macugnaga führt. Ganz allgemein fasziniert an diesem ersten schönen Tag nach einer Schlechtwetterfront der Kontrast des tiefblauen Himmels zu den frühsommerlich-grünen Berghängen. So erscheint auch das eher industriell geprägte Valle Ossola ein bisschen wie ein Naturparadies.
K69 - Auf der Strasse nach Domodossola.
::: Die Stimmung am Lago ist überwältigend. Von lebendigem satten Grün sind die frühsommerlichen Berghänge, rein und tief blau das klare Wasser des Sees, golden scheint die Spätnachmittagssonne schräg in diese wundervollen Tallanschaften. Die Luft hat hochsommerliche Temperaturen von fast 30° C und ist doch klar und rein, wie sie nur im Frühsommer vor den diesigen Tagen des Juli und August ist. Badegäste tummeln sich, Promenaden und Cafés laden ein, als erstes Ziel habe ich Verbania ausgewählt. Wir bummeln ein bisschen durch den Ort, genießen den Sommer, das Privileg, Sommerschifahrer zu sein und all dies an einem einzigen Tag erleben zu dürfen. Die Wirkung geht nicht fehl: ein weiteres Mal habe ich das Glück, meine eigene Liebe zu einem bestimmten Ort bei meinen Mitreisenden wieder zu finden.
K70a - Lago Maggiore.
T05
T07
T12
T09
Nachdem wir etwas ausgeruht sind, folgt Teil II meines kleinen Plans: im Abendlicht gleiten wir die schon geradezu klassisch italienisch-idyllische Weststraße am Ufer des Großen Sees entlang. Alte, wundervolle italienische Villen, Zypressen, fast tropischer Bewuchs, Wasser und Berge im goldenen Licht eines wundervollen Sommerabends...
K70 - Abendstimmung am Lago Maggiore.
Cannobio habe ich als Ziel für ein Abendessen am Seeufer ausgewählt. Wir bummeln ein wenig durch die alten engen Gassen mit ihren herrlichen Steinhäusern, spazieren noch etwas am See entlang und sitzen schließlich am Seeufer in einem der vielen Restaurants, um zu Abend zu essen. Der Tag neigt sich dem Ende, ein letzter blass-rosa Streif ziert den Himmel, während der See funkelnd die tausenden kleinen Lichter reflektiert und die Luft kühl und lau nach Lebensfreude und Sommer duftet...
::: In Cannobio an der Uferpromenade genießen wir Pasta und Abendstimmung, bevor es am späteren Abend auf eine lange, nächtliche Heimfahrt geht. [trinc] spürt nun endlich die Anstrengungen der vielen schlaflosen Nächte und schläft auf dem Beifahrersitz, wenn er nicht gerade durch eine "Links-oder-Rechts???"-"Äh..was???.. Nein, Links!!!"-Frage geweckt wird. Der See mit seinem nächtlichen Lichterspiel bleibt hinter uns, wir gleiten im Dunkeln die Bernadino-Autobahn hinauf. Und als uns um Mitternacht am Pass der Regen in Empfang nimmt, ist alles bereits nur noch Erinnerung...
::: Epilog :::
2000 Kilometer Autofahrt, fast 1000 Höhenmeter mit ca. 20 kg Gepäck, 2 Regentage in einer Hütte, keine Gipfelbesteigung, nur 3 Stunden Schifahren an einem Tellerlift auf einem sterbenden Gletscher. Trotzdem eines der intensivsten Berg- und Schi-Erlebnisse in meiner Erinnerung. Was bewegt mich dazu, für einen Vormittag Gletscherschilauf so absurd viel Zeit, Geld und Anstrengung zu investieren?
In einem Bergsport-Forum bin ich auf Menschen gestoßen, die solche Unternehmungen für einen Gipfel oder eine bestimmte Wand durchziehen, aber meine Begeisterung für (eine bestimmte Kategorie von) Aufstiegshilfen wird dort höchst kritisch bis ablehnend betrachtet, meine Berichte über Variantenfahrten mit Liftunterstützung haben dort einen heftigen Streit über die Berechtigung solcher Texte in diesem Forum ausgelöst und ich werde wohl als "Weichei" angesehen. Dafür gelte ich in einem anderen Forum, das sich mehr mit Seilbahn- und Liftanlagen sowie Pistenschilauf beschäftigt, eher als "Outlaw", der sich am liebsten abseits von kontrollierten Pisten auf der anderen Seite von Absperrungen tummelt und auch durchaus bereit ist, Schitouren ohne Seilbahn- oder Liftbenützung durchzuziehen.
Zweifellos bin ich gerne in den Bergen unterwegs, im Sommer wie im Winter, meine Begeisterung für den Schilauf (und meine mangelhafte Kondition) haben wohl verhindert, daß aus mir ein reiner Tourengeher geworden ist (auf Dauer wäre mir da das Verhältnis zwischen Aufstieg und Abfahrt zu ungünstig), aber warum bin ich bereit, für einen einzelnen Lift mit 2 oder 3 Abfahrtsvarianten so viel zu investieren, obwohl ich in meinem Leben schon viele tolle Schitage mit wesentlich mehr Abwechslung hatte? Warum bin ich bereit, stundenlang zu fahren und durch die Berge zu marschieren, um Ruinen von Seilbahnstationen oder Reste von Schiliften zu suchen? Im Gegensatz dazu, weshalb habe ich beispielsweise eigentlich nahezu kein Interesse, Baustellen von aktuellen Liftprojekten zu besuchen?
Es mag wohl eine Sehnsucht nach einer Zeit sein, in der Seilbahn- und Liftbau noch irgendwie den Nimbus von Abenteuer und Pinoniertum hatte. Während heute Erschließungen meist nur mehr aus wirtschaftlichen Gründen durchgeführt werden, die Technik schon so weit fortgeschritten ist, daß nahezu jeder Berg verdrahtet, jeder Gipfel planiert und jeder Hang trassiert werden kann, bedeutete Seilbahnbau früher eine intensive Auseinandersetzung mit dem Gelände, aber auch eine Anpassung an die Topographie. Erschließungspioniere wie etwa Leo Gurschler im Schnalstal hatten eine Vision und setzten all ihre Anstrengungen und Kräfte daran, sie zu verwirklichen. In vielen Seilbahn- und Liftprojekten der Frühzeit stecken individuelle Träume und ihre Umsetzung konnte nur durch härteste Arbeit erreicht werden.
Es scheint so, daß es Menschen gibt, die sich gerade nach der Zeit zurücksehnen, die sie gerade nicht mehr erlebt haben, für trincerone sind es die 70-er Jahre, die ihn - zumindestens was den Schilauf berifft - faszinieren, ich habe diese Zeit erlebt und würde gerne einmal ein Schigebiet der 60-er oder 50-er Jahre besuchen.
Irgendwo zwischen den 60-ern und 70-ern liegt auch die Blütezeit der Gletschererschließungen, mit viel Engagement wurden damals Liftanlagen errichtet, eines der beeindruckensten Bilder aus dieser Zeit ist für mich eine Photographie eines Gletscherschleppers an der Punta Helbronner, der auf einer notdürftig errichteten Brücke über eine Gletscherspalte führt. Auch wenn es sich schon um "mechanisierten" Schilauf handelt, so war er - im Vergleich zu den heutigen Gletscher-KSBs und Selbstbedienungsabspeisungen - doch "roh" und "ursprünglich" und stand wahrscheinlich doch mehr im Einklang mit der Natur. (Zumindestens was den Lift- und Pistenbau betrifft, nicht umbedingt bezüglich der Abfallentsorgung und fallweise auch Chemikalienverwendung).
Es gibt in den Alpen nur mehr wenige verbliebene Seilbahnanlagen aus dieser Zeit, manche sind bereits zu faszinierenden Ruinen geworden, viele wurden durch Neubauten ersetzt und verloren damit ihren Charakter, die meisten verbliebenen Gletschergebiete sind davon betroffen. Aber das Gefühl, wie Schifahren damals gewesen sein muß, kann man meist nur mehr bei der Betrachtung alter Photographien erahnen.
Der Gletscherlift auf dem Siedelgletscher aber funktioniert noch genau auf dieser Basis, eine Handvoll Menschen mit einer gemeinsamen Vision finden sich für ein Projekt, das im Gegensatz zu damals zwar keinesfalls mehr im Zeitgeist liegt, aber wie in der Pionierzeit des Gletscherschilaufs mit viel persönlichem Einsatz und individueller Arbeitskraft im Bau wie auch im Betrieb verwirklicht wird. Und - als Gegenpart und notwendige Ergänzung - machte sich eine Gruppe von nostalgischen Schi-Freaks auf, um - ebenfalls nicht ohne persönliches Engagement - eine Zeitreise zurück in die 60-er oder 70-er zu machen und die "Urform" des "organisierten" Gletscherschilaufs zu erleben.
Genau dieses Zusammentreffen zwischen ganz unterschiedlichen Menschen aus drei Ländern, die ihren Traum auf diese Art wahr werden ließen, macht den Schitag am Rifugio 3A zu einem für mich unvergesslichen Erlebnis.
::: Reprise :::
::: Der Wind weht sanft das einsame Tal hinauf, die Lande still und einsam wie am Tage unserer Ankunft. So stehen wir schließlich keine sechzig Stunden später wieder auf jenem einsamen Stück Schotterpiste am Ende eines Sees, der auch ein Fjord in der kalten menschenfeindlichen Einöde der Arktis sein könnte. Ein Stück Linzer Torte, das Gerrit mitgebracht hat für uns, ein Abschiedsphoto. Zwei mal rote Rücklichter, die die Staubstraße entlang verschwinden. Wir vier bleiben zurück, ruhen noch etwas, lauschen dem Wind, schauen auf das eisgraue Wasser. Nur sechzig Stunden... sechzig Stunden von denen wir nur drei oder vier auf Schiern standen. Und dennoch haben sie meine Welt wieder einmal ein Stück verändert - verändert in einer Art und Weise, wie es nur das Gebirge kann. Die eisige Welt hier oben und die unglaubliche, versteckte Schönheit, die sich dahinter verbirgt... Eines dunklen Herbsttages verließ ich eben jenen Parkplatz, um wenige Stunden danach auf einer verwitterten alten Karte in meinem Albergo einen kleinen Schlepplift am Ende der Welt zu entdecken.... das war im Jahre 1999, mit neunzehn, dem Alter der großen Träume und Hoffnungen, der Zeit, in der sich am meisten bewegt.
Beinahe acht Jahre später bin ich zurückgekehrt, erwachsener, reifer vielleicht, aber nicht gänzlich ohne Träume – zum Glück! Wenig hatte sich verändert, außer für mich selbst. Dieses unscheinbare, kalte, abweisende Tal war zur Legende geworden, zum Synonym für alles, für das dieses Forum und unser Style Schizufahren steht. Und als ich die Tür des Wagens schließe und auch wir als letzte den einsamen Talschluss verlassen, weiß ich, dass diese Stunden hier wieder einmal ein Stück meine Welt verändert und meinen Blick gewandelt haben... wie subjektiv dies alles ist. Das Tal, dieser Ort, diese Landschaft – sie alle haben in uns irgendwo ihre Spuren hinterlassen, und doch: die einzige Spur, die wir hinterlassen, ist eine Fahne von Staub... – eine Fahne von Staub, die in wenigen Minuten verblasst sein wird. Danach wird uns das Tal vergessen haben – so wie es alle vor uns vergaß und all die nach uns kommen vergessen wird. Denn das ist es, was das Gerbirge ausmacht. Der Mensch ist nur eine kurze Episode, ein Wimpernschlag fragiler Vergänglichkeit. Er prägt nicht das Gebirge... das Gebirge prägt ihn! Doch genau das ist es, was uns dem Gebirge so nahe bringt: Was uns sechs seit diesem Tag verbindet, wird überdauern - wie das Gebirge!
::: Von einst – für alle Ewigkeit!
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