Ätna-Besuch // 18.10.2011 -- Faszination pur
Der Ätna – italienisch Etna – fasziniert mich schon seit langer, langer Zeit. Bereits 1984, als ich das erste Mal auf Sizilien war, wollte ich dort hinauf – leider aber wollten meine Teenagerkollegen damals nicht mit hinaufkraxeln – man hatte als Pennäler halt logischerweise ziemlich andere Interessen... Und so kam es, dass ich geschlagene 27 Jahre warten musste, um diese verpasste Chance nachzuholen.
Kürzlich im Oktober bot sich mir nun endlich die Gelegenheit, den höchsten Vulkan Europas während eines zweiwöchigen Sizilien-Aufenthalts etwas genauer zu beschnuppern. Eigentlich bestand im Vorfeld meines Urlaubs mein Plan darin, den Ätna zusammen mit einem befreundeten italienisch-schweizerischen Vulkanologen und Bergführer, der seit knapp zehn Jahren auf Sizilien lebt und dort als versierter Ätna-Bergführer und –vulkanologe seine eigene Firma sein eigen nennt, kennenzulernen. Leider kam es aufgrund eines terminlichen Problems dann letztlich doch nicht dazu. Das war zwar sehr schade, dass ich auf diesen Rundgang mit einem absoluten Profi verzichten musste, andererseits hatte es aber auch durchaus den Vorteil, dass ich ungestört Bilder von der Poma-Agudio-EUB und den sonstigen skitechnischen Anlagen auf der Südseite des Ätnas (Etna Sud) schiessen konnte.
Kaum jemand – ausser wahrscheinlich hier im Forum - ist sich indessen bewusst, dass der Ätna das südlichste Skigebiet Italiens ist. Der höchste Vulkan Europas ist eben auch ein prädestinierter Ort für Skifahrer und Snowboarder. Auch wenn ich persönlich bislang leider noch keinen Abstecher im Winter zum Ätna gemacht habe, so kann ich mir sehr gut vorstellen, dass „alpiner“ Ski- und Snowboardsport auf dem Ätna seinen ganz eigenen Charakter hat und eine ganz besondere Form von Unterhaltung darstellt. Skifahren in einer Höhenlage zwischen 1900 und knapp 2700 Höhenmetern auf einem aktiven Vulkan, gekoppelt – an schönen Tagen - mit einer schier unfassbaren, gigantisch-schönen Fernsicht auf die am Fuss des Ätnas sich befindliche 400.000-Einwohnerstadt Catania, auf das italienische Festland und natürlich auf das Meer. Besucher, die auf dem Ätna schon einmal dem Wintersport gehuldigt haben, gebrauchen zumeist ausschliesslich Superlative, um dieses Erlebnis zu beschreiben. Wie bereits weiter oben erwähnt, sieht man an klaren Tagen von den Abhängen des Ätnas das Meer, während sich aus dem Ätna selber mitsamt seinen 4 Hauptkratern (!) und seinen fast 300 (erloschenen) Seitenkratern immer wieder Gas und Wasserdämpfe bilden, die sich wiederum zu grossen Wolken erheben.
Es ist alles andere als ein Geheimnis, dass es eine mühevolle Angelegenheit ist, die Skigebiete auf dem Vulkan in einem guten Zustand zu halten. Seit ihrer Eröffnung haben die Skiorte des Ätna nicht nur einmal die drohende Macht dieses riesigen Berges erlebt. Regelmässige Ausbrüche und glühende Lavaströme haben mehrmals EUB, Sessel- und Skilifte sowie Abfahrts-Pisten vernichtet. Der letzte grössere Ausbruch fand nur gerade fünf Tage nach meinem Besuch statt. Als Folge davon blieb der internationale Flughafen von Catania für jeglichen Verkehr gesperrt. Es war dies bereits der 17. Ausbruch des Ätnas in diesem Jahr!
Der letzte grosse Ausbruch dieses Riesenvulkans ereignete sich in den Jahren 2002 und 2003 – damals zerstörten mehrere heftige Eruptionen sowohl auf der Süd- als auch auf der Nordseite des Ätnas u.a. auch touristische und skitechnische Anlagen. Auf der Südseite beim Rifugio Sapienza wurden das Gebäude der Skischule, die Stromleitungen und die Seilbahn entweder zerstört oder arg in Mitleidenschaft gezogen. Erst seit ein paar Jahren lässt sich – zumindest auf der Südseite – wieder Wintersport betreiben. Die Nordseite ist soweit in der Zwischenzeit auch wieder betriebsbereit (siehe weiter unten).
Für Bewohner rund um den Ballungsraum Catania gehört der aktive Ätna längst zur Normalität. Mechanismen für eine Evakuierung von Skiurlaubern und anderen Touristen aus dem gefährdeten Gebiet sind bei Anzeichen eines Ausbruchs des Ätna als Standards vorhanden und bis ins Kleinste geplant. Vulkanausbruch – Evakuierung – Beseitigung der Folgen – alles läuft nach einem Schema, das in den letzten fünf Jahrhunderten immer mehr perfektioniert wurde.
Auf dem riesigen Kegel des Ätnas gibt es zwei Skiorte. Auf dem Südhang des Ätna ist dies die Siedlung Rifugio Sapienza (1900 Meter) oberhalb der Ortschaft Nicolosi, auf dem Nordhang der in der Zwischenzeit grossgwachsene Ort Linguaglossa. Oberhalb von Linguaglossa liegt der Winterort Piano Provenzana (1800 Meter), dessen Skianlagen allerdings in den Jahren 2002/03 aufgrund heftiger Vulkanausbrüche arg in Mitleidenschaft gezogen bzw. total verwüstet wurden. Die Anlagen in Piano Provenzana wurden seither aber wieder grösstenteils aufgebaut.
Was die aktuelle Situation im Skigebiet Etna Nord betrifft, so steht wie gesagt ein Teil der Anlagen wieder; zumindest ein Sessellift und zwei Skilifte waren in der letzten Saison geöffnet. Wenn alles rechtzeitig fertig wird, sollte ein weiterer Skilift im Januar 2012 seinen Betrieb aufnehmen. Genaueres dazu - mit Fotos - siehe hier:
http://www.etnasci.it/FOTOGALLERY/REPOR ... ndex.html#Laut Aussagen meines Informanten vor Ort sah es im vergangenen Winter am Ätna folgendermassen aus: Offenbar soll die letzte Schneesaison nicht sehr prickelnd gewesen sein. Erstens kam der Schnee sehr spät, und zweitens fiel mengenmässig nicht wirklich viel vom Himmel. Zum Skifahren habe es zwar gereicht, auch wenn es teilweise etwas eisig und verwindet war. Betreffend Schneequalität und -beschaffenheit am Ätna: Diese hat sicherlich etwas mit der Meeresnähe zu tun, sodass im Niederschlag auch Salz enthalten ist (o.ä.), welches den Schnee sehr kompakt werden lässt. Die Vulkanführer machen während ihrer Ausbildung einen Schnitt in die zum Teil meterhohe Schneedecke. Zum Vorschein kommen dann: Keine eingelagerten Schichten, die bröselig sind, sondern eine durch und durch kompakte Schneemasse. Manchmal sind schwarze Streifen in der Schneedecke zu finden, die auf einen Ascheaufall hindeuten - oder es sind rötliche Streifen feststellbar, die auf einen starken Scirocco (Wind aus der Sahara, mit Sand durchsetzt) hindeuten…
Interessanter Link betr. Ätna siehe auch hier:
http://www.vulkane-erleben.info/Wie sich die Schnee-Situation im vergangenen Winter 2010/11 auf dem Etna präsentiert hat, lässt sich im nachfolgenden Link anhand einiger schöner Fotos verfolgen:
http://www.etnasci.it/FOTOGALLERY/NEVE/ ... 04581.htmlIn beiden Skiorten - Rifugio Sapienza (Etna Sud) und Piano Provenzana (Etna Nord) - gibt es Hotels, Skilehrer und Ausleihstationen für Skiausrüstung. Natuerlich gibt es dort auch Bergführer, die einen in die atemberaubende Welt des Ätnas eintauchen. Je nach Schneemenge und -qualität lässt sich oberhalb dieser beiden Urlaubsdestinationen offensichtlich richtig gut Snowboard und Skilauf betreiben. Auch stellt die südliche Lage des Ätnas offenbar im Hochwinter kein grosses Problem dar und soll auf die Qualität des Schnees nicht allzu stark einwirken. Insbesondere der firnartige Schnee soll ein grosser Genuss sein. Fast überall lässt sich - bei guter Schneelage - zwischen erkalteten Lavaströmen abseits der planierten Pisten hervorragend Off-Piste fahren. Im Winter sind auf dem Ätna Skisportaktivitäten ab einer Höhenlage von 1800 M.ü.M. (Etna Nord) und 1900 M.ü.M. (Etna Sud) möglich. Die Gesamthöhe des Vulkans beträgt derzeit knapp 3350 Meter. Der Zugang zu den vier Hauptkratern ist seit Ende August 2009 für den Zugang gesperrt. Dies gilt auch für die am Ätna tätigen Bergführer sowie für die von diesen geführten Gruppen. Zur Zeit dürfen nur Vulkanologen und Pressevertreter hoch.
Der Ätna ist sicher eines der kleinsten Skigebiete in Italien - aber auch sicher dafür das exotischste Skigebiet in ganz Europe. Wo sonst kann man an den Hängen eines aktiven Vulkans Skilaufen?
Zu den Bildern:
Der Anfahrtsweg auf die Südseite des Ätnas erfolgte per Auto von Catania über Nicolosi rauf zum Rifugio Sapienza. Kurz nach der Ortschaft Nicolosi erhält man einen ersten kleinen Vorgeschmack auf den grössten aktiven Vulkan Europas. Schön war insbesondere, dass der Gipfel frisch eingeschneit war, da es am Wochenende zuvor einen temporären Wetterumschwung mit Kaltlufteinzug auf Sizilien gegeben hatte. Noch ist der Hauptkrater (Gipfel) in Wolken gehüllt...
Erste erstarrte Lavaströme abseits der Strasse:
Das Ziel meiner Begierde rückt näher:
Souvenirartikel in allen Schattierungen dürfen natürlich nicht fehlen!
Blick runter nach Nicolosi und Catania mit erloschenem Krater und dem Meer im (dunstigen) Hintergrund. Dieser Krater, "Monti Rossi" - die Senke / der Trichter ist in der Mitte - entstand im Jahr 1669. Es ist dies der bislang grösste bekannte Ausbruch des Ätna. Die Lavaströme flossen damals über 30 Kilometer runter bis nach Catania. Dabei wurde in Catania das Castello Ursino umflossen und die Küste um 150 Meter weiter hinaus geschoben. Im Volksmund wird der Krater auch "Le tette di Sophia Loren" genannt:
Überall Natur versus Technik bzw. Zivilisation:
Das Rifugio Sapienza ist erklommen; als erstes schweift der Blick hoch zur EUB von Poma mit den Agudio-Kabinen:
An der Talstation befindet sich ein riesiger Parkplatz mit allerlei Souvenirläden und - im Winter - Shops für Skimiete etc.:
Emsig besuchter Nebenkrater unweit des Rifugios: Cratere Silvestri (inferiore). Dieser Ausbruch fand 1891 statt. Dabei handelt es sich um eine ganze Kette von Kratern (6 Stück):
Trasse der EUB mit Bergstation - und, gut zu erkennen - den planierten Pisten dazwischen:
Alte Talstation (rechts); die "neue" steht links daneben:
Zwei Gesamtansichtspanos der Ätna-Südseite mit Hauptkrater:
Rifugio Sapienza:
Logo der Seilbahn mit den Agudio-Gondeln und den Unimog-Geländefahrzeugen, mit deren Hilfe man von der Bergstation aus bis auf knapp 2900 M.ü.M. (Torre del Filosofo) heraufgekarrt werden kann - wenn man denn will. Ich habs sein lassen...und bin lieber auf eigene Faust rumgewandert. Dass ich die sperrigen Wanderschuhe mitgenommen hatte, war rücklickend betrachtet ein weiser Entscheid. Laufen auf einem Vulkan kann manchmal sehr heimtückisch sein, weswegen gutes Schuhwerk jedem zu empfehlen ist. Müssig zu erwähnen, dass es lustigerweise natürlich auch Leute gab, die da in Flip-Flops herumtollten...
Talstation der Poma-Italia-EUB:
Unterwegs in den Agudio-Kabinen, die zwar durchaus kultig aussehen, leider aber aufgrund ihrer völlig zerkratzten, braun eingefärbten Fensterscheiben nach meinem Empfinden das Fahrerlebnis stark schmälern:
Leitner-Schlepper - umgeben von erstarrter Lava; irgendwie skurril:
Links im Bild befindet sich ein erst 2001 entstandener Nebenkrater; auf den bin ich rauf:
Lässt sich im Winter mit Fellen ausgestattet hier sicherlich herrlich skifahren:
Unimog-Fahrzeuge mit Heerscharen von Touristen, die sich so bequem in Richtung Gipfel hochschaufeln lassen. Der Spass hat allerdings seinen Preis: Reine Benützung der EUB kostet 28 EUR; die Weiterbeförderung mit den Unimog-Fahrzeugen schlägt dann total mit 53 EUR zu Buche.
Langsam rückt der Hauptkrater in Blick- und Sichtweite:
Omnipräsent: Gase und schwefelhaltiger Geruch:
Unaufhörlich zieht sich die Karawane - voll beladen mit Ätna-Touristen rauf zur Torre del Filosofo auf knapp 3000 Metern. Von dort aus darf der Gipfel des Ätnas nur noch mit lizenzierten Bergführern bestiegen werden:
Die Bergstation der Poma-Agudio-EUB befindet sich auf 2500 M.ü.M.:
Der Hauptkrater des Ätnas:
Etwas für Lift-Liebhaber, auch wenn es sich dabei um ziemlich profane Stangenware handelt:
Ein mehr als nur eindrücklicher Tag auf dem Ätna ging langsam, aber sicher seinem Ende entgegen. Talfahrt mit der Ätna-EUB:
Unterwegs; links Sesselbahn-Bergstation:
Die Natur erobert sich zurück, was ihr genommen wurde...Pionierpflanzwuchs auf rund 1900 Metern:
Die alte Talstation der Funivia:
Oberer Teil der Trasse der heutigen EUB:
Blick vom Rifugio Sapienza gegen Süden und den Golf von Syrakus:
Catania und Meerblick:
Die Weiterreise führt an den weit ausgedehnten Berghängen des Ätna mitten durch eindrückliche Landschaften in die Region Etna Sud - und danach gings von dort weiter in das zwar sehr touristische, aber auch äusserst malerisch gelegene Taormina:
Der Ätna im Abendlicht, von Taormina aus photografisch festgehalten. Ein eindrücklicher Vulkan:
In Taormina angekommen, erwartete mich die nächste Seilbahn, welche Taormina mit dem Strand verbindet. Wurde 1993 erbaut:
Abendliche Eindrücke in Taormina:
Nach dem Ätna-Erlebnis war Entspannung in unserem wirklich netten Mietshaus angesagt, einschliesslich Pool:
Zum Abschluss noch ein paar Schnappschüsse aus Ortigia, das ist die Altstadt von Syrakus: