tja, ist das nun freeride oder sommerschi oder einfach nur ein Bericht? Egal, ich stell's mal hier rein...Rekonvaleszenz – Teil 1: Tonale, Paradiso, AlveoNach diesem schneereichen Winter sollte ein herrliches Variantenfahren und Freeriden im ausklingenden Frühjahr – oder den Temperaturen nach – im Frühsommer bevorstehen. Trotzdem: Irgendwie hatte ich ein komisches Gefühl in der Magengegend. Die Ereignisse an der Marmolada von Anfang Mai hingen mir doch noch in den Knochen. Sicher, solche Unfälle passieren fast wöchentlich. Dennoch ist es etwas anderes, wenn es quasi am „Hausberg“ geschieht. Man grübelt einfach mehr, wenn man den Berg gut kennt. War man eventuell auch mal fahrlässig, hätte man sich in dieser Situation anders verhalten, hätte-wäre-wenn-Spiele… es ging mir also nicht nur um die Faszination Frühjahrski sondern auch die in dieser Grübelei versteckte Unsicherheit zu entlarven und loszuwerden.
Aufstehen um 4Uhr nach gefühlten 2h Schlaf, Adrenalin war sofort da, jegliche Zufuhr von Koffein unnötig. Da unser Auto in der Werkstatt war hatte ich ein Mietauto genommen. Günstig gab’s nur noch den smart… naja, die Ski passen schon rein

Was ich zu diesem Zeitpunkt bei der ganzen Einpackerei noch nicht gemerkt hatte: Es war ein Cabrio! Erst während der Fahrt fiel mich die ganze Ausstattung dieses Elephanten-Rollschuhs auf, wie geil! Es sollten ja heiße Tage bevorstehen… Glück gehabt.
Mit reichlich Anspannung ging es also am Mittwoch, 20.5., zum Tonale. Schon die Zufahrt war verheißungsvoll. Oben noch alles tief in Weiß getaucht. Reicht es noch für die paradiso? Wie sind die Lawinen-Rinnen an der Alveo-Traverse? Am Pass war’s dann klar: logisch, paradiso geht, sogar bequem! Am Parkplatz standen trotz Wochentag mehr Autos als erwartet, für das Gebiet aber natürlich völlig unkritisch. Skipass hat 26€ gekostet, wobei die Lifte nur bis 13:30 bzw, die Seilbahn bis 14:30 geöffnet sind. Nun ja, angesichts der vielen Freeride Möglichkeiten geht’s schon.
Am Pass um 9:00 schon 13 Grad, selbst auf der schattigen Paradiso sollte man also nicht zu lange warten. Und die Alveo-Route? Der östlich exponierte Teil liegt zwar auf 3000m, aber ist das bei diesen Temperaturen schon zu gefährlich? Und was ist mit der Tunnel-Passage? Sind eventuell Schneerutschen drüber oder der Tunnel gar unpassierbar?
Nach den 3 Sektionen hochlifteln zur Presena begutachte ich daher erst mal sehr vorsichtig die Lage im Tal. Eine Tourengeher-Gruppe ist schon fast heroben, der Tunnel müsste also passierbar sein, denn vom unteren Einstieg am Talschluss hätten die um diese Uhrzeit nie und nimmer schon hier heroben sein können.
Der Blick in das weite Tal lässt leider keine weitere Gruppe erspähen, es kommt wohl niemand mehr, also ohne Begleitung dadurch… etwas mulmig war mir schon, aber nochmaliges Studieren brachte mich zur Einschätzung, dass sich alle gefährlichen Rinnen schon entladen haben oder doch so nordseitig liegen, dass die Schoße noch oben bleiben sollte. Wenn nicht gleich rein, dann nimmer!
Also Einstieg genommen und auf schon reichlich aufgefirntem Schnee den Osthang zwischen zwei Lawinen-Kegeln gefahren. Nach den ersten sehr respektvollen, beinahe ängstlichen Schwüngen kam dann doch wieder die gewohnte Sicherheit. Noch kritischer als sonst immer wieder der Blick auf potentielle Gefahrenhänge rechts und links der Route. Eigentlich alles im grünen Bereich, aber anders als sonst.
Der Puls blieb hoch, aber mehr und mehr wurde die Abfahrt in diesem gigantischen Hochtal zum Rausch. Je tiefer die Höhenlage um so kompakter die Unterlage und umso angehemer der Firn. Nach langer Fahrt in dem durch die Schneemassen so angenehm kupierten Gelände öffnet sich das Tal und ich erreiche den Talboden vom Alveo. Schon komisch, aber irgendwie fühlte ich mich hier wieder „back on safe ground“. Faszinierend der Rückblick auf die Kulisse rundum.
Nach kurzer Rast ging es weiter entlang dem Fahrweg - überall noch genügend Schnee und auch keine unüberbrückbaren Lawinenabgänge. Nur kurz vor dem Tunnel sah es etwas „wüst“ aus: Abgerissene Lehm-, Erd-, und Grasbüschel, gebrochenes Holz und Steine lagen rum, aber man konnte sich schon einen Weg auf Ski zum Tunnel suchen. Aber der Tunnel??? Was war das? Eine Rutsche hatte das Schneeniveau ungefähr auf Portalhöhe gelegt! Zum Glück war schon einiges weggeschmolzen, so dass man in den Tunnel hinuntersteigen konnte. Auch vom anderen Portal drang ein Lichtkegel durch. Der Ausgang sollte also auch gesichert sein.
Man kommt sich schon wie ein Höhlenforscher vor, wenn man auf dem vereisten Hang in den Tunnel hineinsteigt – von oben dank der Schneeschmelze durch kleine Wasserfälle auch gut befeuchtet. Am anderen Ende des Tunnels dann ein noch krasseres Bild. Mit Rucksack geht’s nur auf allen Vieren kriechend aus der „Höhle“ hinaus! Landung wieder direkt auf einer Schneerutsche vorm Tunnelportal. Vorsichtig schnalle ich die Ski auf dem schmalen Podest an. Das Bild weiter unten zeigt ungefähr das Schneeniveau gegenüber dem Fahrweg. Vor 2 Wochen ging da bestimmt noch nichts. Auch eine Umfahrung des Tunnels ist wegen der Felsabstürze unmöglich.
Der Rest des Fahrweges war dann reines Ausgleiten bis zu den Hotels am Pass. Langsam kam der Puls dabei wieder auf Normallevel. In der inzwischen brütenden Sonne musste ich noch über die Passhöhe bis zur 2S laufen, wo ich zum Glück eine Gondel für mich alleine zum Umziehen hatte

Der nächste Akt wurde gleich aus der Seilbahn in Augenschein genommen: Die Paradiso-Scharte. Eigentlich sollte es egal sein, wo man fährt. Es sah überall gleich fantastisch aus. Doch auch hier waren einige Abgänge aus seitlichen Rinnen im Auge zu behalten. Außerdem die Seilbahntrasse… aufgrund des vielen Schnees verlief die abschnittsweise so bodennah, dass man von den Gondeln nahezu eins vor den Schädel zu bekommen schien.
Während im oberen Teil die Route nahezu dem Pistenverlauf folgt, habe ich im unteren Teil die direkte Rinne bis zum Tonale-Hochtal gewählt. Schwer zu beschreiben, welche Eindrücke man auf solch einer Abfahrt wirklich erlebt und was man tatsächlich alles (er-)fühlen kann. Weiches Gleiten im Firn, Winterlandschaft rechts und links, frühlingshaft grüne Hänge auf der Sonnenseite gegenüber, und über allem thront ein strahlend blauer Himmel. Man muss es einfach erleben.
Den Tag habe ich dann mit ein paar Fahrten an der Presena und einer nochmaligen Variantenfahrt durch die Paradiso-Scharte ausklingen lassen. Und schließlich: Verdeck auf, Ski rein, Sonnenbrille auf die Nase und auf der Fahrt verwunderte Blicke ernten
Bilder folgen asap